Legal Tech

Von der Idee zum Legal Tech-Projekt – wie geht das?

Von Charlotte Falk

Der Legal Tech-Markt bietet mittlerweile eine Fülle an Lösungen und wächst stetig – doch wie wird vermieden, dass wahllos Tools eingekauft werden und man sich stattdessen strategisch mit Legal Tech auseinandersetzt? Darüber sprach die SFS Legal Tech-Beratung in ihrem Podcast mit Marijana Simonova, die als Associate bei Bird & Bird arbeitet und dort Legal Tech-Projekte in Angriff nimmt. Wir haben die Highlights des Podcast für Sie zusammengefasst.

Charlotte Falk: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Legal Tech Podcasts. Heute sitze ich hier mit Marijana Simonova. Sie ist Associate bei Bird &Bird im Corporate und Mitglied der Legal Tech Task Force. Vielleicht kannst Du ein paar Worte zu Dir sagen und, wie Du zum Thema Legal Tech gekommen bist.

Marijana Simonova: Hallo Charlotte! Also ich bin, wie du schon gesagt hast, Associate bei Bird&Bird im Münchner Team im Corporate Bereich. Wir betreuen Mandanten in verschiedenen Angelegenheiten – größtenteils sind das M&A-Transaktionen, die wir begleiten. Dazu gehört aber auch das sogenannte Corporate Housekeeping. Also eine bunte Mischung – und das macht sehr viel Spaß.

Charlotte Falk: Und wie kommt Legal Tech da ins Spiel?

Marijana Simonova: Das wird auch immer mehr zu einem spannenden Teil meiner Arbeit. Ich bin Mitglied in der Legal Tech-Gruppe bei Bird &Bird. Eigentlich kam ich auf das Thema durch ein Projekt, das wir hier im Bereich Corporate gestartet haben. Da ich Mitglied dieser Legal Tech-Gruppe bin, stehe ich auch als Ansprechpartner bei Legal Tech-Fragen für Kolleginnen und Kollegen bereit – und werbe für das Thema intern mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Dabei werben wir auch zum Beispiel für vorhandene Tools und beobachten den Markt. Ein spannendes Thema.

Charlotte Falk: Kannst Du noch näher beschreiben, wie diese Legal Tech-Gruppe aussieht? Wer ist da alles drin und wie organisiert Ihr Euch? Sind das nur Associates oder auch Partner?

Marijana Simonova: Ich bin eigentlich in zwei Legal Tech-Gruppen. Eine ist nur für das Corporate Team. Da ist der Kern des Teams, das aus drei Associates bei jedem der größeren Standorte in Deutschland besteht – wir sprechen uns sehr eng zu laufenden Projekten miteinander ab und möglichen Ideen und Events. Und natürlich haben wir auch Partner aus dem Corporate Bereich, mit denen wir dann weitere Absprachen treffen und dann die Themen in unserem sogenannten Corporate Retreats zweimal im Jahr auch in der großen Runde besprechen. Das ist nur der Corporate Bereich.

Wir haben auch eine größere Legal Tech-Gruppe. Da sind Associates sowie Mitglieder und Partner aus verschiedenen Bereichen vertreten. Da ist aber auch z. B. unser Marketing und Business Development mit drin – also quasi die geballte Kompetenz. Wir haben regelmäßige Calls, in denen wir uns abstimmen. Es gibt auch ein internationales Netzwerk von Associates bei Bird &Bird, die sich mit Legal Tech beschäftigen. Wir versuchen hier auch über London den internationalen Austausch für das Thema „up to date“ zu halten.

Charlotte Falk: Es ist bestimmt wichtig, dass man Entscheider in diesen Gruppen hat. Wenn man nur eine Gruppe von Associates hat, dann ist natürlich der Weg bis zum Partner immer noch ein bisschen höher, aber wenn der Partner auch in diesem Thema drin steckt, dann kann er ja vielleicht schneller Entscheidungen treffen. Oder wie sind da Deine Erfahrungen?

Marijana Simonova: Ja definitiv, also ohne die Partner können wir nichts weiter ausrichten. Es ist sehr hilfreich, dass sie hier involviert, bei den Calls mit dabei sind und wir gemeinsam unsere Projekte umsetzen.

Charlotte Falk: Großkanzleien sind ja teilweise mit einer großen Skepsis an das Thema herangegangen. Dort wurden dann viele Tools eingekauft, und dann ist aber direkt ein bisschen die Ernüchterung eingetreten, weil es dann doch oft aufwendiger ist, ein Tool zu implementieren. Wie ist bei Euch die Stimmung?

Marijana Simonova: Also ich würde die Stimmung bei uns insgesamt als gut bezeichnen. Wir haben viele junge Partner, die sich auch mit dem Thema sehr gerne beschäftigen und keine Angst davor haben, dass Legal Tech uns allen die Jobs wegnehmen wird. Und ich erlebe dadurch, dass wir an Tools selbst basteln und diese auch zum Einsatz bringen, dass eine größere Offenheit für das Thema entsteht. Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg.

Charlotte Falk: Wenn wir jetzt schon über Tools sprechen, dann „hands on“: Du hast als Associate bei Dir im Team ein erstes Legal Tech-Projekt angestoßen. Wie kam es dazu?

Marijana Simonova: Wir haben unseren GmbH-Gründungsprozess auf einen Teil dieses Tools ausgelagert. Die Idee kam durch die Mandatsarbeit: Wir haben im Team festgestellt, dass es einen Prozess gibt, der sich immer wieder wiederholt und es doch eigentlich sehr nett wäre, wenn man ein Tool hätte, das uns dabei unterstützen könnte. Eigentlich habe ich dann das Glück gehabt, Dich kennenzulernen, als du noch bei uns gearbeitet hast. Du konntest uns dann mit Jonas von Eurem SFS-Start-Up zusammenbringen, der uns dabei geholfen hat, dieses Tool zu entwickeln.

Wir sind der Ansicht, dass es nur dann Sinn macht, einen Prozess zu automatisieren, wenn es sich um einen standardisierten Prozess handelt, der sich, ich würde mal sagen, zu 90 Prozent bei jedem Vorgang exakt gleich wiederholt – bis auf die Variablen, die eingesetzt werden, also die konkreten Informationen des Mandanten. Das ist aber immer dieselbe Art von Informationen, die gebraucht werden. Und dann macht es unserer Ansicht nach nur Sinn, diesen Prozess zu automatisieren. Und das ist genau das, was bei diesem Gründungsprozess passiert. Es werden zu 90 Prozent dieselben Dokumente entworfen, es werden dieselben Fragen an den Mandanten gestellt und es passiert immer das Gleiche – und damit wir diese stupide Copy-Paste-Arbeit für uns Associates in dem Zusammenhang reduzieren können, haben wir diese auf das Tool ausgelagert.

Charlotte Falk: Wie seid Ihr denn genau vorgegangen?

Marijana Simonova: Ich habe mich mit Jonas getroffen und wir haben besprochen, wie unser Arbeitsprozess aktuell analog aussieht und welche Schritte notwendig sind. Also: Welche Fragen stellen wir dem Mandanten? In der Regel sind das nämlich US-Mandanten, die uns für die GmbH-Gründung kontaktieren. Informationen, die wir dann in einem Dokument abfragen würden, wären zum Beispiel: Wie soll die GmbH überhaupt heißen?

Und mit Hilfe von Jonas haben wir dann unseren Fragebogen angepasst und mit ihm ein Online-Tool entwickelt. Der größte Arbeitsschritt war, die ganzen Variablen festzulegen. Zum Beispiel: Ich möchte gerne einen Geschäftsführer haben –  dann brauchen wir Fragen ABC. Wenn er aber sagt, er möchte zwei Geschäftsführer haben, muss er natürlich für den zweiten Geschäftsführer auch die Informationen eingeben. Was ändert sich dann in unserer Dokumentation an welchen Stellen? Wie soll der Wortlaut sich dann ändern? Das war ja sehr viel Abstimmungsarbeit.

Charlotte Falk: Das heißt, jetzt füllt man den Fragebogen aus und dann gibt es schon eine vorgenerierte E-Mail, wo die fertigen Dokumente dran hängen und die müsst ihr dann nur noch einmal anschauen und prüfen, ob alles richtig ist, oder?

Marijana Simonova: Wir bekommen dann eine fertige Version der Dokumentation,schauen uns alles nochmal an, und verschicken das dann an den Mandanten.

Charlotte Falk: Was würdest du schätzen, wie hoch die Zeitersparnis dadurch ist?

Marijana Simonova: Es kommt natürlich auf den Einzelfall an – wie besonders der Falls ist, wie umfangreich die Sonderwünsche des Mandanten sind. Aber ich denke schon, dass wir die Zeit dadurch um mindestens 50 Prozent reduzieren können, zumindest was diesen Entwurfsprozess betrifft.

Charlotte Falk: Was waren die Herausforderungen, denen Ihr Euch dabei stellen musstet?

Marijana Simonova: Die Herausforderungen waren eigentlich erstmal, dass es absolutes Neuland für mich war, so ein Tool mitentwickeln zu dürfen. Und unsere erste Grundfrage war: Entwickeln wir jetzt etwas Eigenes oder nehmen wir etwas, das wir schon haben und bauen darauf auf? Bird &Bird ist ja eine große internationale Kanzlei, sodass ein Großteil an Lösungen bereits vorhanden war. Wir haben uns in diesem Zusammenhang mit der IT-Zentrale in London auseinandergesetzt, und haben festgestellt, dass wir da auch einige veraltete „Dinosaurier-Lösungen“ gefunden haben und haben uns dann gemeinsam mit der IT-Zentrale Gedanken darüber gemacht, ob es nicht möglich wäre, eine bessere Lösung für diesen Prozess zu finden.

Es haben sich auch natürlich viele Fragen und Herausforderungen im Prozess dieser Entwicklung ergeben – dadurch ist auch mehr Arbeit und Zeitaufwand im Ergebnis angefallen, als man anfangs dachte. Aber ich bin eigentlich der Meinung, dass wir das ziemlich gut hinbekommen haben.

Charlotte Falk: Was sind denn Deine Tipps an Associates, die ein ähnliches Projekt anstoßen wollen?

Marijana Simonova: Das ist eine schwierige Frage. Es ist natürlich sehr kanzlei- und arbeitgeber-abhängig. Man muss sich erst mal fragen: Ist das etwas, was zur Kanzleiausrichtung und zum Team passt? Es muss auch ein Umfeld vorhanden sein, in dem man so etwas umsetzen kann. Und man muss auch auf offene Ohren stoßen, gerade als Associate, wenn man irgendwo ein Projekt anstoßen möchte. Denn es bedarf Partner, die einen dabei unterstützen und gemeinsam das Projekt umsetzen möchten. Man sollte auf jeden Fall den Dialog suchen mit dem Team, mit dem jeweiligen Partner. Ich würde auf jeden Fall dazu raten, eine Idee zu nehmen, die sich aus der Mandatsarbeit ergibt. Also es muss auch etwas sein, das auf die tägliche und wiederkehrende Mandatsarbeit sinnvoll anzuwenden ist.

Insgesamt muss die Idee, die man dann hat, natürlich konform mit der Ausrichtung der Kanzlei werden. Es muss sich natürlich auch finanziell lohnen für die Kanzlei. Und ich würde auf jeden Fall auch empfehlen, sich mal ganz genau umzuhören, was es schon an Tools und Möglichkeiten gibt. Das weiß man, glaube ich, oft noch gar nicht so richtig.

Charlotte Falk: Kommen wir jetzt zur allerletzten Frage: Hast du vielleicht noch Ratschläge, wie man Legal Tech als Großkanzlei am besten angeht, aus Deiner Erfahrung?

Marijana Simonova: Ich denke, das ist ein wirklich weites, weites Feld. Und ich kann da natürlich auch keine generalisierte Antwort geben, sondern nur aus meinem Praxisbereich berichten. Als allererstes: Dieses Wort Mindset, also der Wille, die Erkenntnis muss vorhanden sein, dass es in Zukunft nicht nur Legal Tech geben wird.

Ich würde auch davon abraten, dass man einfach Software einkauft, weil man vielleicht damit nicht alle Bereiche abdecken kann. Es ist auch nicht immer durchdacht, ob das dann für alle Prozesse überhaupt tauglich ist. Und mein letzter Ratschlag: Man soll die Prozesse analysieren, die man schon hat. Und wenn man automatisieren möchte, wie wir es bei unserem Tool gemacht haben, soll man dann natürlich ermitteln, welche Prozesse geeignet sind, um standardisiert und automatisiert zu werden – und fragen, ob das die Effizienz steigern wird.

Um überhaupt alle mitzunehmen, muss natürlich eine gewisse Kommunikation vorhanden sein. Da müssen alle Ebenen mitziehen und es ist ein Thema, das auf allen Ebenen besprochen werden muss und wo alle mitmachen sollten.

Charlotte Falk: Ja, das ist, denke ich mal, ein richtig guter Abschlussappell an alle da draußen, sich mit Legal Tech zu beschäftigen. Vielen Dank für das Interview Marijana.

Marijana Simonova: Danke Dir, Charlotte.

Foto: Adobe.Stock/©alphaspirit
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Charlotte Falk ist Mitgründerin des Legal Tech-Beratungsunternehmens SFS Digital- & Innovationsberatung in München. Sie hält einen Bachelor in Kommunikationswissenschaften & BWL von der Universität Mannheim und begann in dessen Endzügen 2016 ihr Jurastudium. Durch verschiedene Projekte in Kommunikationsberatungen, der Unternehmens-
kommunikation von großen Konzernen aber auch Kanzleien weiß sie ihr Know-how einzusetzen.

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