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beA: So optimierte die Legal Tech-Kanzlei FROMMER LEGAL ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach

Von Axel Gillessen, Axel Miehler, Thomas Janker und Florian Thür

Das besondere elektronische Anwaltspostfach – kurz beA – bewegt seit jeher die Gemüter. Wir haben mit der Münchener Legal Tech-Kanzlei FROMMER LEGAL darüber gesprochen, wie sie mit ihrem Team aus Anwält:innen und IT-Expert:innen die Arbeit mit dem beA innerhalb von sechs Monaten optimierten. Dabei verraten Sie u. a. auch, wie jede Kanzlei den Arbeitsablauf mit dem beA verbessern kann.

Vielleicht könnten Sie zum Einstieg kurz erklären, was Sie zu Beginn des Projektes mit Ihrem beA vorhatten.

Axel Gillessen: Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit liegt in der juristischen Bearbeitung und Abwicklung juristischer Großprojekte mit sehr hohem Fallvolumen. Schlanke und effiziente Prozesse und eine weitgehende Automatisierung sind da essenziell. Daher war es auch unser Ziel, das beA nahtlos in unsere bestehenden operativen Prozesse einzubinden.

Unser Posteingangsprozess sieht zum Beispiel vor, dass sämtliche eingehende Schreiben, Faxe und E-Mails zentral bearbeitet und weiterverteilt werden. Das wollten wir auch mit beA erreichen, auch wenn es dafür eigentlich gar nicht konzipiert ist.

Axel Miehler: Ja, ein zentrales Kanzlei-Postfach wurde uns ja leider gerade nicht ermöglicht. Letztlich haben wir aber eine technische Lösung gefunden. Wir haben einen zentralen Dienst implementiert, der die beA-Postfächer aller Rechtsanwält:innen über deren Zertifikat automatisch ausliest. Die beA-Nachrichten werden dabei so aufbereitet, dass sie wie jedes andere eingehende Dokument automatisch einer Akte zugeordnet, inhaltlich erfasst und an den zuständigen Rechtsanwalt oder die zuständige Rechtsanwältin weitergeleitet werden können. Hierbei nutzen wir auch die über das beA bereitgestellten Akteninformationen.

Axel Gillessen: Beim Postversand wiederum war uns natürlich wichtig, das beA möglichst umfassend zu nutzen. Der elektronische Versand bringt hier massive Vorteile. Wir sparen uns Ausdrucke, Kuvertierung und in eiligen Angelegenheiten den Vorabversand per Fax. Das sind massiver Aufwand und Kosten und nicht zuletzt auch eine unnötige Verschwendung natürlicher Ressourcen, die wir mit Tonnen von Papier täglich begehen.

Mit dem bloßen Einsatz vom beA beim Postversand war und ist es aber nicht getan. Wir wollten den Aufwand bei der Nutzung so gering wie möglich halten und manuelle Tätigkeiten möglichst vermeiden. Wir haben daher die Recherche der beA-SAFE-ID zu Rechtsanwält:innen automatisiert und hinterlegen diese direkt bei der erstmaligen Erfassung im Kontakt.

Florian Thür: Trotz aller Automatisierung wollen unsere Anwältinnen und Anwälte natürlich trotzdem volle Kontrolle darüber, was über ihr Postfach verschickt wird. Und das soll und muss auch so bleiben.

Thomas Janker: Über ein zentrales Portal können wir Dokumente, die per beA versandt werden, exakt so individuell zum Versand freigeben, wie dies auch bei anderen Schreiben zuvor der Fall war. Der eigentliche Versand über das beA erfolgt dann vollautomatisch. Das entlastet nicht nur unsere Rechtsanwält:innen, sondern unser gesamtes Service-Center.

Wie sind Sie konkret an das Projekt rangegangen?

Thomas Janker: Den Wunsch hatten gleich mehrere Fachabteilungen geäußert. Für jedes neue Projekt werden bei uns in einem festgelegten Prozess Anforderungen und Verbesserungswünsche zunächst bewertet und priorisiert. Da das beA gleich für mehrere Abteilungen wichtig und zudem die Nutzung gesetzlich vorgeschrieben war, war die Priorität sehr hoch und das Projekt konnte und musste schnell starten.

Axel Miehler: Wir haben zunächst in einem Kick-Off-Meeting mit den Fachabteilungen die Zielsetzung für das Projekt konkretisiert und die wesentlichen Teilziele festgelegt. Das erste Ziel war der zentralisierte Empfang der beA-Nachrichten. Das Endziel war die vollständige Integration des beAs in unsere Arbeitsabläufe und dessen aktive und passive Nutzung.

Florian Thür: Hier gab es natürlich diverse Einzelprobleme zu lösen, insbesondere im gerichtlichen Bereich. Wie müssen Schriftsätze im beA genannt werden, welche Dateigrößen sind erlaubt? Wie prüfen wir effektiv z. B. Klageschriften, die früher vor dem Versand ausgedruckt, ausgefertigt und unterschrieben wurden? Wie gelangt eine Anspruchsbegründung über das Mahngericht an das Streitgericht - und eigentlich banal: Wie stelle ich die bisherigen Urlaubs- und Vertretungsregeln auch mit dem beA sicher?

Axel Miehler: Diese Punkte haben wir diskutiert, die operativen Abläufe besprochen und dann mithilfe unserer Legal Engineers User Stories für die Software-Entwicklung geschrieben. Diese User Stories beschreiben die Erwartungshaltung des Anwenders an die Software-Anpassungen und dienen unseren Software-Entwicklern dazu, die technische Umsetzung zu konzeptionieren. Wir arbeiten hierbei mit Scrum, einem agilen Software-Entwicklungsprozess.

Thomas Janker: Und wenn die Entwickler die Software angepasst haben, testen wir, ob sie auch in der Praxis so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben.

Axel Miehler: Das ist auch enorm wichtig, da es auch bei der besten Kommunikation Missverständnisse geben kann, bzw. manches sich auch in der täglichen Anwendung anders darstellt, als man es sich vorher vorgestellt hat. Wir versuchen daher, frühzeitig erste Versionen im Entwicklungsprozess zu zeigen und holen regelmäßig Feedback ein.

Für welche Art von Kanzlei eignet sich so eine Vorgehensweise?

Axel Gillessen: Grundsätzlich ist ein derartiges Vorgehen für jede Kanzlei geeignet, die sich intensiv mit ihren operativen Prozessen beschäftigt und diese so effizient wie möglich gestalten will.

Thomas Janker: Ja, es lohnt sich immer, die eigenen Prozesse zu analysieren und zu optimieren und das beA wird zunehmend das zentrale schriftliche Kommunikationsmittel für Anwält:innen sein. Natürlich sind die Effekte in mittleren und großen Kanzleien größer, wo es darum geht, viele eingehende Nachrichten von vielen Anwält:innen zu bearbeiten. Hier werden auch eher die notwendigen Ressourcen für eine interne Umsetzung vorhanden sein.

Axel Miehler: Ganz sicher, wobei man ja auch nicht unbedingt soweit automatisieren muss, wie wir das getan haben. Selbst wenn man das technologische Know-how nicht im Haus hat, können einem Software-Anbieter und Dienstleister helfen. Auch wir haben in Teilen auf eine Software-Komponente von Dritten zurückgegriffen.

Wenn eine andere Kanzlei Ähnliches vorhat, wie Sie mit dem beA, was kann sie noch umsetzen, wenn sie kein so großes Team hat?

Axel Gillessen: Ganz unabhängig von der technischen Umsetzung liegt der Schlüssel darin, sich bewusst mit den Möglichkeiten des beAs und den Auswirkungen auf die eigenen Prozesse auseinanderzusetzen und es nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen.

Ein Punkt, den wirklich jede Kanzlei umsetzen kann, ist ein sauberer Prozess zur Pflege von Kontaktdaten und ein Einpflegen der SAFE-ID. Das klingt erstmal banal, erfahrungsgemäß werden aber regelmäßig benötigte und wichtige Informationen oft gar nicht erfasst und können somit auch nicht genutzt werden. Gerade der Posteingangsprozess wird oft vernachlässigt, obwohl darin einerseits großes Optimierungspotenzial liegt und andererseits alle Informationen in die Kanzlei kommen.

Daneben sollte man sich überlegen, für welche Art von Kommunikation man das beA aktiv nutzen will und das klar und kanzleiweit regeln. Dafür ist neben der eingepflegten SAFE-ID auch essenziell, dass Dokumente, egal ob selbst erstellte oder andere, in einer klaren Struktur bzw. Nomenklatur digital abgelegt werden. Diese kann dann, zumindest weitgehend, unverändert der ERVV-konformen Benennung von Anlagen in beA-Nachrichten dienen. Dem eigenen Überblick dient es ohnehin.

Axel Miehler: Und wenn man das gemacht hat, lohnt es in jedem Fall, sich einmal mit den Möglichkeiten der eigenen Kanzleisoftware in Bezug auf das beA aktiv zu beschäftigen.

Was waren die technologischen Herausforderungen bei der Umsetzung?

Axel Miehler: Als Anfang 2018 die passive Nutzung für das beA verpflichtend wurde, gab es noch keine Anbieter für die Anbindung des beAs an eigene Systeme. Wir entschlossen uns daher, die von der BRAK bereitgestellte SOAP-Schnittstelle für den Empfang von beA-Nachrichten zu verwenden. Die BRAK stellt dafür lediglich ein Java-Tool-Set zur Verfügung. Da wir für unsere Anwendungen allerdings größtenteils mit dem Microsoft .NET Framework arbeiten, mussten wir für den Empfang der Nachrichten eine eigene Software-Bibliothek[1] entwickeln. Erst später erfuhren wir, dass Wolters Kluwer in seinem Geschäftsbereich Legal Software mit beA Connect ein eigenes Modul für die Kommunikation mit beA entwickelt hatte und auch bereit war, es zu lizenzieren. Da das Modul nicht nur den Empfang, sondern auch den Versand vollumfänglich abdeckt, konnten wir uns so einen wesentlichen Teil des Entwicklungs- und Wartungsaufwands einsparen und uns auf unsere spezifischen Anforderungen und Optimierungen konzentrieren. Gerade der Wartungsaufwand ist durch regelmäßige Änderungen an der beA-Plattform nicht zu unterschätzen.

Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen bzw. woraus haben Sie gelernt?

Axel Gillessen: Wahrscheinlich würden wir versuchen, uns von Anfang an in die Konzeption und Entwicklung des beA einzubringen, wie wir das bei vielen unserer Schnittstellen-Themen ständig machen. Hier haben wir es nicht getan und damit die Möglichkeit verschenkt, die Entwicklung des beA an der einen oder anderen Stelle aktiv mitzugestalten. Außerdem hätten wir so wohl auch früher Kontakt zu Wolters Kluwer und dem Geschäftsbereich Legal Software bekommen und uns einigen Entwicklungsaufwand erspart.

Können Sie einschätzen, wie viel Zeit Sie durch die Teilautomatisierung des beA sparen?

Florian Thür: Unsere Prozesse waren auch vor dem beA schon sehr effizient. Durch den Empfang und Versand über das beA haben wir aber nochmals einen großen Schritt nach vorne gemacht. So entfällt in gerichtlichen Verfahren beinahe der gesamte physische Postausgang mit Druck, Unterschrift und nachfolgendem Scan und Fax. Dadurch sparen unsere Anwält:innen im Schnitt sicher zwei bis drei Minuten pro Schreiben und unser Sekretariat sicher auch noch mal bis zu zehn Minuten.

Axel Gillessen: Das hat natürlich auch finanzielle Auswirkungen: Die Kosten für Scannen, Papier, Drucken und Porto entfallen jedenfalls in der Kommunikation mit Gerichten und Gegenanwälten und -anwältinnen beinahe vollständig. Die Einsparungen belaufen sich auf einen hohen vierstelligen Eurobetrag pro Monat.

Florian Thür: Neben den reinen zeitlichen und finanziellen Einsparungen muss man aber auch betonen, dass durch das beA ein deutlich schnellerer Kommunikationsweg mit den Gerichten ermöglicht wurde. Dies führt nach unserer Einschätzung zu einer spürbaren Verfahrensbeschleunigung.

Was ist, wenn die Technik mal ausfällt?

Thomas Janker: Für den Versand unserer Dokumente haben wir ein doppeltes Sicherheitsnetz. Sollte das beA tatsächlich insgesamt ausfallen, steigen wir direkt auf andere mögliche bzw. vom Empfänger gewünschte Versandarten um. Außerdem prüfen wir bei jedem einzelnen Versand automatisch, ob die Zustellung über das beA erfolgreich ist. Wenn nach einer definierten Frist keine Zustellbestätigung erfolgt, wird das Schreiben dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin automatisch in unserem Case-Management-System zum erneuten Versand vorgelegt.

Wie machen Sie das bei Gerichten, die analog arbeiten?

Florian Thür: Glücklicherweise haben sich die Gerichte mittlerweile zum Großteil mit der neuen Technik angefreundet. Wir führen regelmäßig Verfahren an ca. 100 verschiedenen Amts- und Landgerichten im gesamten Bundesgebiet. Mit etwa 80 Prozent dieser Gerichte kommunizieren wir fast vollständig über das beA.

Natürlich gibt es aber auch noch Gerichte, die digital eingehende beA-Nachrichten ausdrucken und weiterhin ihre Papierakten führen. Auch die gerichtlichen Schreiben werden teilweise noch auf dem Postweg an uns versandt. Ich denke aber, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wirklich alle Gerichte die großen Vorteile der digitalen Kommunikation erkannt haben.

Gibt es noch etwas, das Sie beachten müssen, wenn 2022 dann schließlich die bundesweit aktive Nutzungspflicht kommt?

Florian Thür: Zum jetzigen Stand nicht. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Prozesse mit weiteren Gerichten einzurichten und zu optimieren.

Herr Gillessen, Herr Miehler, Herr Thür, Herr Janker – ich danke Ihnen für das Gespräch!

[1] In der Programmierung bezeichnet eine Bibliothek eine Sammlung von Unterprogrammen oder -routinen, die Lösungswege für thematisch ähnliche Aufgabenstellungen umfassen.
Foto: Adobe Stock/Song_about_summer
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Axel Gillessen, Axel Miehler, Thomas Janker und Florian Thür arbeiten als Rechtsanwälte in der Legal Tech-Kanzlei FROMMER LEGAL.

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