Smart Contracts

Smart Contracts: Technischer Fortschritt im Konflikt mit bestehender Rechtslage?!

Von Simone Rosenthal

In der Welt der digitalen Rechtsanwendung ist der Hype um Smart Contracts besonders groß. Sie vereinen klassisches Vertragsrecht und Informatik, indem sie eine direkte Durchsetzung von Verträgen ermöglichen. Die Parteien haben einen Vertrag geschlossen, der sich mittels Programmcode selbst ausführt. Dies ist Dank Blockchain-Technologie möglich. Sie kann als Infrastruktur und Basis dienen. Mit Smart Contracts können Transaktionskosten reduziert und Vertragssicherheit erhöht werden.

Ihnen wird daher eine blendende Zukunft vorausgesagt und unterstellt, sie würden das Berufsbild eines Anwalts zu einem Programmierer des Rechts abwandeln oder sogar ganz abschaffen. Diese Sichtweise lässt allerdings außer Betracht, dass Smart Contracts einfach „herkömmliche“ Verträge abbilden. Sie dienen nur der Durchsetzung des Vertrags. Sind sie daher nicht einfach Teil des Rechtssystems und seinen Problemen?

Die Relevanz von Smart Contracts in der Praxis

Der Anwendung von Smart Contracts steht technisch kaum etwas entgegen, sodass sich Unternehmen aus allen Branchen mit ihnen auseinandersetzen und dazu aktuell rechtliche Beratung benötigen. Die codierten Informationen in den Verträgen beruhen auf Bedingungen. Hier zwei simple Beispiele:

Bei einem Kaufvertrag über eine Sache kann im Smart Contract hinterlegt werden, dass der Käufer den Gegenstand dann erhält, wenn er den Kaufpreis bezahlt hat. Wenn bei einem Leasingvertrag die Rate gezahlt ist, dann kann das Fahrzeug genutzt werden. Der Knackpunkt dabei ist, dass die Folge automatisch eintritt, wenn eine Bedingung erfüllt wurde.

Smart Contracts sollten jedoch nur da eingesetzt werden, wo es wirklich Sinn ergibt, d. h. wenn eine Vielzahl von Vertragsbedingungen automatisiert werden soll. Wichtige Anwendungsfelder sind:

  • klassisches Vertragsrecht
  • Digital-Rights-Management (z. B. durch Programmierung eines Smart Contracts in einem geschützten Song mit der Bedingung, dass das Abspielen des Songs nur nach Zahlung erfolgt)
  • Derivatehandel

Gelten die Anforderungen an den Vertragsschluss im elektronischen Rechtsverkehr?

Beim Vertragsschluss mittels Smart Contract werden oft die sog. Button-Lösungen (§ 312j Abs. 4 BGB) und andere Besonderheiten des Vertragsschlusses im elektronischen Geschäftsverkehr von Bedeutung sein. Der Begriff Smart Contract beschreibt ein Programm, das rechtlich relevante Aspekte kontrolliert und ausführt, ist aber selbst nicht der Vertrag. Angebot und Annahme, also der Vertragsschluss selbst, erfolgen außerhalb der Blockchain. Dies lässt sich auch am Beispiel des Leasingsvertrags erklären. Dort wurde der Vertrag schon geschlossen und der Code kann nun bewirken, dass er auch durchgesetzt wird. Die Software prüft das Eintreten der Bedingungen und vollzieht den Vertrag automatisch. Die Regeln des Vertragsschlusses, wie u. a. zum Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr, finden daher nur auf das Geschehen vor der Codierung Anwendung.

Wie werden Formvorschriften und unbestimmte Rechtsbegriffe angewandt?

Kein Problem stellen die Formvorschriften der §§ 126a, 126b BGB dar. Deren Anforderungen können auch bei Anwendung der Blockchain-Technologie sichergestellt werden. Die Aufklärungs-, Beratungs- und Warnfunktion eines Dritten (vor allem eines Notars) kann jedoch nicht durch automatisierte Prozesse ersetzt werden, sodass die Mitwirkung außerhalb der Blockchain stattfinden muss.

Smart Contracts eignen sich noch nicht dazu, unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden. Diese sind auf Anpassungsfähigkeit ausgelegt und setzen eine Wertung im Einzelfall voraus, die ein Code nicht vornehmen kann. Ein Code kann nicht „wissen“, wann z. B. eine Frist zum Schadenersatz angemessen ist.

Wie kann Datenschutz gewährleistet werden?

Smart Contracts stehen sowohl bei der Verwendung einer offenen (public) als auch der geschlossenen (private) Blockchain in Bezug auf Datenschutzrecht vor erheblichen Herausforderungen. Zentrale Frage des Rechtsgebiets ist, ob personenbezogene Daten vorliegen und damit die Anwendungsbereiche von DSGVO und BDSG eröffnet sind. Dies wird bei beiden Formen der Blockchain der Fall sein. Bei einer öffentlichen Blockchain wird ein Personenbezug in der Regel über ein angebundenes Online-Wallet (eine digitale Brieftasche für Transaktionen im Internet), Kommunikations- oder Transaktionsdaten ermöglicht . Bei einer privaten Blockchain muss sich der Nutzer bei einem Intermediär (Vermittler) identifizieren, der den Zugang zum Netzwerk kontrolliert.

Doch wie soll eine Einwilligung in die Datenverarbeitung eingeholt werden, wenn diese jederzeit widerrufbar sein muss, eine Blockchain sich aber gerade durch ihre Unveränderlichkeit und dadurch auszeichnet, dass Eintragungen nicht gelöscht werden können? Das gleiche Problem stellt sich in Bezug auf die Betroffenenrechte bezüglich Löschung der Daten, Vergessenwerden und Einwirkung. Hier kann versucht werden, eine Lösung über die jeweiligen gesetzlichen Ausnahmen der Betroffenenrechte zu finden. So kann die betroffene Person ihr Recht auf Löschung nicht ausüben, wenn die Datenverarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen notwendig ist. Die Blockchain kann bei der Geltendmachung von Rechtsansprüchen als Beweismittel gebraucht werden, sodass eine Löschung nicht erfolgen darf.

Fazit: Technischer Fortschritt nur im Rechtsrahmen!

Smart Contracts haben großes Potential, Rechtsanwendung zu erleichtern und werden mit Sicherheit einen immer größeren Anwendungsbereich erlangen. Allerdings kann sich auch technischer Fortschritt nur innerhalb des Rechts bewegen und dort bestehen noch viele interessante und komplexe Probleme, die Juristen zu diskutieren, erforschen und bewältigen haben. Die datenschutzrechtlichen Probleme zeigen, dass Smart Contracts sich derzeit vor allem für den B2B-Bereich eignen, weil man dort in der Regel keine Probleme mit personenbezogenen Daten hat.

Unerheblich davon, ob Anwälte sich in Zukunft als Programmierer des Rechts verstehen dürfen oder nicht, sollten sie folgende Punkte im Kopf haben, wenn sie mit Smart Contracts konfrontiert werden:

  1. Regeln des Vertragsschlusses finden auf das Geschehen außerhalb der Blockchain Anwendung.
  2. Formvorschriften sind nur teilweise per Blockchain umsetzbar.
  3. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind nicht in der Blockchain darzustellen.
  4. Datenschutzrecht findet meistens Anwendung.
Foto: Adobe Stock/Tierney
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Simone Rosenthal ist Partnerin bei der Technologiekanzlei Schürmann Rosenthal Dreyer und spezialisiert auf das digitale Business. Die Rechtsanwältin hat sich erfolgreich als Expertin für Datenschutz-, IT-Recht und Wettbewerbsrecht etabliert.
Sie ist ebenfalls Geschäftsführerin der ISiCO Datenschutz GmbH, einem Unternehmen, welches Analyse, Auditierung und Beratung in den Bereichen Datenschutz, Datenschutz-Compliance und Informationssicherheit anbietet.
Simone Rosenthal ist Co-Founder von lawpilots, Legal Tech für das digitale Lernen rund um die Themen Digitalisierung & Recht.

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