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Legal Transformation Days 2018 – Rethinking Law

Von Nadia Neuendorf

Wie steht es um die Transformation auf dem Rechtsmarkt? Wie ist Legal Tech mit dem Gesetz vereinbar und welche Rolle spielt die Digitalisierung zukünftig? Diese Fragen stellten sich die Teilnehmer der Legal Transformation Days 2018 der Handelsblatt Fachmedien am 18. und 19. Juni in Berlin. In insgesamt elf Fachvorträgen und zwölf „Breakout Sessions“ wurde über Fortschritte der Digitalisierung des Rechtsmarkts referiert und diskutiert, und entsprechende Software-Lösungen vorgestellt. Die interessantesten Ideen aus den Fachvorträgen und „Breakout Sessions“ haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Juradozent Martin Fries führte durch die Veranstaltung, bei der immer wieder deutlich wurde, dass derzeit an einer Vielzahl von neuen technischen Lösungen für die Rechtskanzlei gearbeitet wird. Rechtsanwalt Prof. Dr. Schalast betonte in seinem Vortrag, dass eine beschleunigte Marktreife von 2.0-Softwarelösungen zu beobachten ist und Unternehmen Rechtsdienstleistungen vermehrt „insourcen“. „Von mittelständischen Kanzleien wird erwartet, dass sie ihren Mandanten Legal Tech-Lösungen anbieten“, um weiter konkurrenzfähig zu bleiben und um in Zukunft nicht von reinen Rechtsdienstleistern ersetzt zu werden. Obwohl hier wohl zu bedenken gilt, dass Rechtsdienstleister nur bei standardisierten, massenhaft auftretenden Fällen die Nase vorn haben können. Die umfassende Beratung von Anwaltskanzleien kann Software nach wie vor nicht ersetzen.

Technik für einzelne oder Fortschritt für jeden?

Auch der Begriff „Blockchain“ ist eines der Top-Themen, wenn es um Legal Tech geht. Für die einen ist es DIE technische Revolution, für andere ein noch nicht ganz greifbares oder gar abgehobenes Konstrukt für und von Technikbegeisterten. Auch auf den Legal Transformation Days kam dieses Thema nicht zu kurz. Mathematiker Dr. Erbeldinger begann seinen Vortrag über die „Blockkette“ zur Datenverschlüsselung anschaulich. Schnell wurde aber die Komplexität der Materie deutlich. Er allerdings geht davon aus, dass die Blockchain alle Lebensbereiche durchdringen und der eigene Blockchain-Account bald so selbstverständlich wie die eigene E-Mail-Adresse sein wird.

Lesen Sie hier einen Beitrag von Florian Glatz zum Thema Blockchain

Eine der Breakout Sessions behandelte das Thema Legal Chatbots. Deren Entwicklung steht derzeit noch am Anfang, doch Patrick Prior sieht hier eine große Chance für Anwaltskanzleien: „Chatbots sind Programme, die mit einem Nutzer innerhalb einer Chat-Umgebung automatisiert schreiben können und so jederzeit eine Kommunikationsmöglichkeit zwischen Nutzern und Unternehmen bieten.“ Die Vorteile der Chatbots sind simpel: Implementiert eine Kanzlei einen solchen auf ihrer Kanzlei-Website, ist dieser rund um die Uhr als erster Ansprechpartner für potentielle Mandanten erreichbar und erste Fragen werden innerhalb weniger Sekunden beantwortet. Somit können automatisch die ersten Eckdaten abgefragt werden, die Hemmschwelle beim Gang zum Anwalt wird gesenkt und die Mandantenakquise angekurbelt. Für komplexere Fälle sind Chatbots jedoch bisher nicht geeignet, „da die bisherige K.I. & Big Data noch nicht ausreicht“, erläuterte Patrick Prior.

Lesen Sie hier einen Blogartikel von Patrick Prior zum Thema Legal Chatbots

Verbesserte Rechtsberatung durch Legal Tech

Rechtsanwalt Prof. Dr. Risse machte deutlich, dass manche Dinge von Maschinen schlicht und einfach besser gelöst werden können als von Menschen – so zum Beispiel bei der Prozessrisikoanalyse. Getreu dem Sprichwort „Judex non calculat“ können die aus dem Rechtsweg entstehenden Kosten nicht einfach geschätzt werden. „Der Mensch rechnet erst seit 5.000 Jahren, somit funktioniert intuitives Rechnen nicht“. Hier helfen Entscheidungsbäume und Technik, die mit Hilfe von Big Data den eigenen Fall mit tausenden anderen Urteilen vergleichen kann.

Um die Arbeit der Juristen gleichzeitig zu erleichtern und zu verbessern, wurden auch einige Software-Lösungen vorgestellt: Vom etablierten IT-Dienstleister DATEV mit einer digitalen Akte, über das Startup Lawlift, das automatisierte Dokumentenerstellung anbietet, Methodigy zur Verbesserung der digitalen Wissensorganisation, bis hin zum Prototypen Quodera – ein Tool, welches alle relevanten Informationen aus einem Text ziehen soll.

„Don’t build your firm against your people“

So lautete die zentrale Aussage von Markus Hartung, Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession. Sie macht bewusst, dass die beste und innovativste Technik nichts taugt, wenn sie nicht zur Kanzlei und den dort Beschäftigten passt oder keine Abstimmung zwischen Kanzleiführung und Kanzleipersonal erfolgt. Bei Studien seines Instituts hat er Jurastudenten dazu befragt, welche Aspekte ihnen bei der Wahl einer Kanzlei am wichtigsten sind.

Dazu zählen:

- Technologie (was nicht bedeutet, dass die Kanzlei mit High Tech ausgestattet sein muss. Es beschreibt lediglich den Anspruch, keine langweiligen, eintönigenArbeiten ausführen zu müssen und ausreichend Flexibilität zu erhalten)

- Work-Life-Balance (hochqualifizierten Menschen ermöglichen, zu arbeiten),

- Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung,

- Ein Gehalt, das dem eigenen Engagement entspricht,

- Feedback erhalten und geben können,

- Diversität.

Ein Problem, welches sich durch die zunehmende Verknüpfung von Recht und Technik ergibt, ist, dass es an Fachleuten fehlt, die beide Bereiche vereinen, sog. Legal Engineers. Zudem fehlt ein „Marktplatz“ der diese Fachkräfte und Kanzleien/Unternehmen zusammenbringt.

Legal Tech rechtskonform?

Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) regelt die Befugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDL) in Deutschland zu erbringen. Eine RDL ist „jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.“ Im RDG ist bislang allerdings keine Rede von automatisierten Rechtsdienstleitungen wie automatischer Anspruchsdurchsetzung, Chatbots oder Smart Contracts. Rechtsanwalt Dr. Remmertz plädiert daher dafür, das Gesetz anzupassen. Damit würde „erlaubt, was aktuell nach RDG verboten ist.“

Spagat zwischen Theorie und Praxis

Nach zwei Tagen auf den Legal Transformation Days mit hochkarätigen Referenten und interessanten Thesen, bleibt allerdings vor allem eins zurück: Ein noch sehr theoretischer und zu großen Teilen abstrakter Blick auf das vielschichtige Gebilde namens Legal Tech. Trotz Vorstellung vieler auf dem Markt verfügbarer Tools, wirkte so mancher Vortrag eher wie eine Werbeveranstaltung. Und auch ein tieferer Einblick in die konkrete Umsetzung abseits von Großkanzlei und Rechtsabteilung wäre sicher sinnvoll. Wichtig ist, nicht aus den Augen zu verlieren, dass Legal Tech eine Chance für alle bedeutet.

Anwälte von morgen brauchen unternehmerisches Denken

Spannend gestaltete sich die ein oder andere Breakout Session. Hier wurde es praxisbezogener: Im Kontext von Legal Design – hier ist nicht die Einrichtung der Kanzlei gemeint – wurde diskutiert, wie Verträge mandantenfreundlicher gestaltet werden können.
Im unternehmerischen Denken liegt wohl eine der größten Herausforderungen für die deutsche Anwaltschaft. Anwälte müssen in Zukunft verstärkt in der Mandantenakquise und Mandantenbindung tätig werden, denn Legal Tech verstärkt einerseits den Druck, sich weiterentwickeln zu müssen, bietet gleichzeitig aber auch einfache Möglichkeiten, effizienter und besser zu werden.

Weitere Beiträge

Nadia Neuendorf arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Legal Tech. ffi-verlag.de

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