Swiss Legal Tech

Legal Tech-Expertin Dr. Arends-Paltzer im Interview: „Viele Legal Tech-Tools sind viel preiswerter als gedacht“

Von Dr. Petra Arends-Paltzer

Dr. Petra Arends-Paltzer blickt als Legal Tech-Expertin auf jahrzehntelange Berufserfahrung als Juristin und Finanzexpertin zurück und pflegt dadurch eine pragmatische Sichtweise auf den Hype rund um die Digitalisierung der Rechtsbranche. Im Interview anlässlich der Swiss Legal Tech verrät sie, was das Event, das vom 3.-4. September in Zürich stattfindet, auszeichnet und warum kleine bis mittelgroße Kanzleien schon mit kleinen Veränderungen viel bewirken können.

Frau Dr. Arends-Paltzer, Legal Tech umfasst ja unzählige Themen von Blockchain bis hin zu Smart Contracts. Welche werden Ihrer Ansicht nach kleine bis mittelständische Kanzleien beschäftigen?

Ganz sicher weder Blockchain noch Smart Contract-Anwendungen. Bei den meisten Blockchain-Anwendungen geht es um Datensicherung, Verifizierung und Zertifizierung von Transaktionen, und Smart Contracts sind Verträge in Form von Programmcodes – beides nicht unbedingt klassische Anwendungsfälle in kleinen und mittleren Kanzleien. Bei kleineren und mittleren Kanzleien geht es vielmehr darum, Prozesse zu analysieren und digitale Workflows zu installieren. Oder einfacher gesagt, sich mit Themen wie Cloud Computing, E-Akten, Arbeit mit der digitalen Agenda und Automatisierung von Dokumenten zu beschäftigen. Ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist aber auch, sich mit dem Thema digitales Marketing zu beschäftigen. Dieses Thema wird von „gefühlt“ 99 Prozent aller kleineren und mittleren Kanzleien völlig vernachlässigt oder nur halbherzig verfolgt. In meinen Augen ein schwerwiegender Fehler, denn die Legal Tech-Konkurrenz greift ja durch skalierbare (einfachere) Rechtsprodukte im Moment in erster Linie die Businessmodelle der kleineren und mittleren Kanzleien an und dies mit enormen (digitalen) Marketing-Budgets. Für die kleineren und mittleren Kanzleien gilt es daher, auch hier einen USP (Unique Selling Proposition), also ein Alleinstellungsmerkmal, zu entwickeln und diesen/s dann auch digital zu vermarkten.

Ist Legal Tech eher eine Frage der Ressourcen und des Know-hows oder eine Frage der Einstellung?

In erster Linie ist Legal Tech und die Beschäftigung mit dem Thema eine Einstellungssache. Oft wird dies unter dem Stichwort Mind Change oder Change Management in der Legal Tech-Szene angesprochen. Denn nur, wenn ich mich als Anwalt ernsthaft mit neuen Themen auseinandersetze, kann ich auch verstehen, dass Legal Tech keineswegs nur eine Bedrohung ist. Ich verstehe dann, dass Legal Tech-Anwendungen vielfach für den Anwalt eine Erleichterung in der täglichen Arbeit mit sich bringen. Wenn ich also meine Einstellung ändere und neugierig bin, dann bilde ich mich weiter (Know-how) und bin dann auch in der Lage, zu entscheiden, welche Investitionen sich für meine Kanzlei lohnen. Erst dann geht es um (finanzielle und personelle) Ressourcen. Viele Legal Tech-Tools sind viel preiswerter als gedacht und wenn man bedenkt, wie viele Prozesse sich skalieren lassen, dann zeigt sich hier oftmals ein ganz neues Bild. Legal Tech wird dann plötzlich ein Freund, mit dem ich auch noch Geld sparen kann.

Was erwartet die Besucher der Swiss Legal Tech? Was zeichnet dieses Event im Unterschied zu anderen Legal Tech-Veranstaltungen aus?

Zunächst zeichnet sich die Swiss Legal Tech-Konferenz dadurch aus, dass wir in jedem Jahr „neue Gesichter und neue Geschäftsmodelle“ präsentieren. Die Schweiz ist zwar viel kleiner als Deutschland, aber viel internationaler, deshalb bietet die Swiss Legal Tech im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen immer auch einen Blick über den (deutschen) Tellerrand. Hier lernen die Teilnehmer, was in anderen Ländern schon erfolgreich umgesetzt wurde und können solche Impulse dann auch im eigenen Umfeld umsetzen. Das Event hat zwei Teile: Einen Workshop-Tag, an dem Unternehmen und Legal Tech-Experten Legal Tech-Produkte und deren Anwendung erklären (Hands-On), so dass auch jemand ohne Vorkenntnisse die neuen Technologien im Bereich Recht/Kommunikation und Marketing verstehen kann. Am zweiten Tag der Konferenz werden Themen besprochen, die sowohl zukunftsrelevant sind, als auch einen Überblick über die Szene geben. In diesem Jahr widmen wir uns zum einen der Frage, was nach vier Jahren Legal Tech eigentlich erreicht wurde. Wir zeigen auf, von welchen Seiten Legal Tech-Unternehmen die Szene aufgemischt und wie die Anwaltschaft darauf reagiert hat (Legal Tech Hub Vienna & Paris). Ferner stellen wir ganz neue Businessmodelle für Anwältinnen und Anwälte vor. In diesem Jahr wird das Thema „Prop Tech & neue Businessmodelle für Anwälte“ thematisiert.

Was würden Sie „klassischen“ Juristen empfehlen, die einen Einstieg in das Thema Legal Tech suchen.

Zum einen, zur Swiss Legal Tech-Konferenz am 3. und 4. September nach Zürich zu kommen und insbesondere auch die Workshops am 3. September zu besuchen. Zum anderen gibt es in einigen Städten richtig gute Legal Tech-Roundtables/Meetups, so z. B. in Hamburg, Köln, Nürnberg, Zürich oder auch München; hier sollte man unbedingt mal vorbeischauen. Und schließlich empfehle ich auch, das Buch „Legal Tech: Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“ durchzulesen. Ich weiß, dass ich hier Eigenwerbung betreibe, aber dieses Buch ist ein echtes „Hands-On“-Buch mit Praxisbeispielen, Checklisten und Anbietervergleichen. Ich habe es zusammen mit Christian Solmecke und Robin Schmitt geschrieben und uns war es wichtig, ein Buch für die Praxis zu schreiben und keine theoretische Abhandlung. In Anbetracht der Leserbewertungen scheint uns das auch gelungen zu sein.

Zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft: Was wird das nächste „große Ding“ im Bereich Legal Tech?

Das ganz „große nächste Ding“ ist, dass sich Juristinnen und Juristen überhaupt erst einmal mit der Thematik „Einsatz von Legal Tech in der eigenen Firma“ beschäftigen. Die Legal Tech-Veranstaltungen, an denen man die wenigen Legal Tech-Experten trifft (ich nenne sie immer Klassentreffen), spiegeln m. E. nicht die Wirklichkeit wider. Legal Tech ist bei der ganz großen Mehrheit noch lange nicht angekommen. Und wenn wir jetzt von Themen wie „Legal Operations“, „AI“ und Einsatz von Algorithmen im Bereich Legal hören, dann sind das spannende neue Ansätze. Aber um mal ganz ehrlich zu sein – damit beschäftigen sich erst wenige und oftmals die ganz Großen, wie z. B. Dentons, Allen Overy, DLH Piper, Freshfields, EY, Baker McKenzie, die Rechtsabteilungen der großen Banken wie z.B. JPMorgan, oder auch Wusong Technology in Peking. Aber auch in Deutschland tut sich was: SKW Schwarz hat 2019 die SKW Schwarz @ Tech GmbH gegründet, die sich intensiv dem Thema Legal Tech widmet. Erwähnung finden sollte in diesem Zusammenhang auch der von Baker McKenzie gesponserte Legal Innovation Standort „ReInvent Law“ in Frankfurt.

Frau Dr. Arends-Paltzer, ich danke vielmals für das Gespräch.

Das Interview führte Bettina Taylor.

Fotos: Dr. Petra Arends-Paltzer
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Die Autorin Dr. Petra Arends-Paltzer studierte Jura in Bonn, Lausanne sowie Würzburg und hat als Anwältin, Syndicusanwältin, Bankerin und Projektmanagerin vornehmlich im Rechts-/Finanzumfeld gearbeitet. Sie berät Anwältinnen und Anwälte bei der Implementierung neuer Geschäftsmodelle in Zusammenarbeit mit Legal Tech und ist Mitgründerin der Swiss Legal Tech.
www.swisslegal.tech

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