Legal Tech-Begriffe

Das Legal Tech-ABC – neun Begriffe, die Sie als Jurist oder Juristin gehört haben müssen

Von Alessandro Corominas

Liebe Leserinnen und Leser, ich vermute, dass Sie beim Lesen der Überschrift schon den ein oder anderen Begriff im Kopf hatten, den Sie persönlich mit Legal Tech verbinden. Vielleicht arbeiten Sie in Ihrer Kanzlei schon mit Legal Tech oder kennen zumindest ein:e Kolleg:in, der/die sich mit diesem Phänomen in seinen verschiedensten Facetten auseinandersetzt. Doch was ist Legal Tech genau?

Aufgrund meines LL.M. Legal Tech-Studiums an der Universität Regensburg habe ich mich mit verschiedenen Aspekten von Legal Tech auseinandersetzen dürfen und möchte diese Erfahrungen in neun (für mich wichtigen) Begriffen mit Ihnen teilen, die Sie zu Legal Tech gehört haben sollten. Legal Tech hat sich zu mehr als nur einem kurzweiligen Trend entwickelt und wird aus der juristischen Welt nicht mehr wegzudenken sein.

B wie Big Data

Big Data steht für die riesigen Mengen an Daten, die uns täglich zur Verfügung stehen und von Computern, Mobilgeräten und weiteren elektronischen Sensoren produziert werden. In der Regel überschreiten sie die Kapazität herkömmlicher Datenbanken, was die Erfassung, Verwaltung und Verarbeitung betrifft. Big Data sind folglich Daten, die eine größere Vielfalt enthalten und in immer größeren Mengen und mit immer höherer Geschwindigkeit anfallen. Dies ist unter anderem bekannt als „die drei Vs“ - Volume (Menge des Datenbestandes), Velocity (Geschwindigkeit, in der Daten anfallen, gesammelt und verarbeitet werden), Variety (Datenvielfalt).

B wie Blockchain

Die Grundlage der Blockchain-Technologie sind eine dezentrale Datenbank mit einem Peer-to-Peer-Netzwerk von Ebenbürtigen (aus dem Englischen: „peer“) und die sogenannte Distributed-Ledger-Technologie. Dieser Distributed Ledger ist ein verteiltes, öffentlich einsehbares Verzeichnis, in dem alle jemals getätigten Transaktionen festgehalten sind. Diese werden in Form von Blöcken in einer Kette gespeichert, daher der Name Blockchain (auf Deutsch: Blockkette). Jeder Teilnehmer im Netzwerk erhält eine Kopie dieses digitalen Kontobuchs.

Dadurch gibt es nicht nur eine zentrale Instanz zur Kontrolle, sondern Hunderte oder Tausende davon in Form von „Nodes“ oder Knotenpunkten. Jeder der einzelnen Blöcke wird mittels einer sogenannten Hash-Funktion kryptographisch verschlüsselt. Die wohl bekannteste Anwendung, die auf dieser Technologie basiert, ist die Kryptowährung Bitcoin.

C wie Chatbot

Ein Chatbot ist ein Dialogsystem, das text- oder sprachbasiert kommunizieren kann.

Sein Hauptanwendungsfall liegt grundsätzlich in der automatisierten Antwort auf Anfragen. Je nach Einstellung und vorheriger Programmierung handelt der Chatbot eigenständig. Um unterschiedliche Anfragen zu bearbeiten, nutzt der Chatbot Wissensdatenbanken oder Verhaltensmuster, um eine entsprechende Antwort zu geben. Sein Wissensstand ist demnach abhängig von der Pflege dieser Datenbanken und den hinterlegten Regeln, die der Chatbot befolgen muss. Stellen Sie sich vor, Ihre Datenbank ist so ausgereift, dass Sie nie wieder mit Ihrer Mandantschaft sprechen müssten?

Fügt man zu diesen einfachen Erkennungsmustern noch KI (Künstliche Intelligenz) hinzu, ist es tatsächlich möglich, dass der Chatbot selbstständig lernt. Die Umsetzung wirklich guter Chatbots ist demnach sehr aufwendig und sollte nur ganz gezielt eingesetzt werden.

C wie Cloud Computing

Der Begriff Cloud (auf Deutsch: Wolke) meint das Zusammenspiel von mehreren Servern. Die Server übernehmen Aufgaben, wie etwa die Datenspeicherung oder komplizierte Programmabläufe, wie die Ausführung einer Kanzleisoftware. Dabei bemerkt ein Cloud-Nutzer nicht, wie viele Server an der entsprechenden Ausführung beteiligt sind.

Selbst wenn ein Server ausfällt, hat dies keine Auswirkungen auf das gesamte System. Durch die Nutzung von Cloud Computing schützen Sie sich unter anderem vor lokalen Ausfällen und können verschiedene Endgeräte gleichzeitig nutzen. Diese Unabhängigkeit von den einzelnen Servern wird daher mit Cloud bezeichnet, da Nutzende selbst keinen Überblick über die einzelnen Einheiten haben müssen. Die Cloud ist das große Ganze dieser Recheneinheiten.

D wie Dokumentenautomatisierung

Durch die fortschreitenden Entwicklungen im Legal Tech-Bereich wird es immer einfacher und attraktiver, Rechtsdokumente automatisch zu generieren. Im Fokus stehen hier standardisierte Dokumente und Verträge, die vorher selbst angelegt werden können. Die Erstellung von AGB, Testamenten, Arbeitsverträgen usw. kann dadurch schneller und kostengünstiger durchgeführt werden, ohne Qualität durch Quantität zu ersetzen. Mittlerweile gibt es verschiedene Anbieter auf dem Markt – ein Thema, mit dem Sie sich auseinandersetzen sollten, sollten Sie Bausteine Ihres Schriftsatzes mehr als einmal verwenden.

E wie ELTA (European Legal Tech Association)

ELTA ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Kanzleien, Unternehmen, Legal Tech-Anbietern, Start-ups und Privatpersonen aus ganz Europa. Sie definiert sich als eine Plattform zur Förderung des Wissens und der Anwendung technologiegestützter Lösungen (Legal Tech) im Rechtsmarkt und deren Einsatz in Unternehmen, Kanzleien und Start-ups.

K wie Künstliche Intelligenz (KI)

Unter dem Begriff Künstliche Intelligenz (KI) oder Artificial Intelligence (AI) versteht man den Versuch, die menschliche Intelligenz nachzubilden. Dies bedeutet, Computersysteme und deren Software so zu modellieren und zu programmieren, dass der Entscheidungsablauf „menschlich“ ist. Die KI kann somit, ohne menschlichen Eingriff, eigenständig Probleme erkennen, bearbeiten und lösen.

Ähnlich der Digitalisierung ist auch bei der Definition der Künstlichen Intelligenz keine klare Abgrenzung möglich, da bereits der Begriff der Intelligenz unterschiedlich bestimmt wird. Künstliche Intelligenz ist somit auch eine Art Automatisierung in Bezug auf das menschliche Denken und Lernen, mit dem Ziel eines intelligenten Verhaltens.

M wie (digitales) Marketing

Der Begriff Marketing wird Sie nun vielleicht bei der Auflistung der TOP 9 Legal Tech-Begriffe ein wenig verwundern. Dennoch wirken sich die Veränderungen in diesem Bereich auch auf das Kanzleimarketing aus. Hier sind zwei Bereiche zu betrachten: Auf der einen Seite gibt es durch die technischen Möglichkeiten nun Unternehmen und Kanzleien, die sich auf Massenverfahren fokussiert haben. Oftmals im Verbraucherrecht. Durch die direkte Anwendung verschiedenster Legal Tech-Software kann hierbei eine hohe Zahl an Fällen zu einem günstigeren Preis angeboten werden. Um in diesem Bereich in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben zu wollen, müssen Sie sich deutlich positionieren und spezialisieren.

Darüber hinaus wird es immer wichtiger, digital gefunden zu werden. Es geht nicht mehr um die Frage, ob Sie Marketing betreiben wollen, sondern nur noch darum, welches Ziel Sie damit erreichen möchten. Wollen Sie über digitale Kanäle mehr Mandanten und Mandantinnen gewinnen oder nur einen professionellen Auftritt kreieren, da Sie ausgelastet sind? Selbst, wenn Sie Ihre Mandate aus Ihrem Netzwerk oder aus Empfehlungen beziehen – Sie werden dennoch mindestens einmal gegoogelt.

S wie Smart Contracts

Eine allgemeine anerkannte Definition von Smart Contracts ist bislang nicht ersichtlich. Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Informatiker und Juristen Nick Szabo zurück.

Im Allgemeinen lassen sich bei der Begriffsbestimmung zwei Gruppen ausmachen: Die eine Seite vertritt die Ansicht, dass es sich bei Smart Contracts um Software handelt, die bei Eintritt der zuvor festgelegten Bedingungen die darin verankerten vertraglichen Rechte und Pflichten selbstständig ausführen kann.

Smart Contracts ermöglichen eine automatisierte Ausführung von Wenn–Dann–Beziehungen.

Beispiel: Wenn die Leasingrate des Pkw bezahlt ist, dann schaltet die Zündung des Pkws frei.

Diese Gedanken führen zu dem von Szabo definierten Begriff zurück:

„Ein Smart Contract ist eine Reihe von Zusagen, die in digitaler Form spezifiziert sind, einschließlich Protokollen, innerhalb derer die Parteien diese Zusagen einhalten “.

Darüber hinaus werden Smart Contracts als computerisierte Transaktionsprotokolle verstanden, die zur Dokumentation von Vertragsabschlüssen und deren (Teil-)Automatisierung genutzt werden können. Die Rechte und Pflichten der Parteien sowie die vertragswesentlichen Rahmenbedingungen werden in digitaler Form gespeichert, sodass die Erfüllung selbständig auslöst, ohne eine weitere Instanz zu benötigen.

 

Foto: Adobe Stock/flashmovie
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Alessandro Corominas, LL. M. Legal Tech ist Diplom-Jurist und Inhaber der Corominas Consulting GmbH. Mit seinem Team unterstützt er Rechtsanwält:innen und Steuerberater:innen in der digitalen Mandanten- und Personalgewinnung.

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