iubel

Mehr Menschen zum Recht verhelfen – iubel-Gründer Dr. Jan Stemplewski im Interview

Von Nadia Neuendorf

Das 2018 von den Brüdern Jan und Niclas Stemplewski gegründete Hamburger Unternehmen iubel bietet sofortigen Rechtschutz für Verbraucher an. Nach Einschätzung der Erfolgschancen und gegen eine Erfolgsbeteiligung finanziert das Startup Prozesse und ermöglicht es so auch Menschen, die Angst vor dem Kostenrisiko haben, ihr Recht durchzusetzen. Dr. Jan Stemplewski erklärt im Interview, wie das Angebot und die Risikobewertung funktioniert und welche Vorteile auch Anwältinnen und Anwälte dadurch haben.

Herr Dr. Stemplewski, Sie haben iubel 2018 gegründet und bieten seitdem ab einem Streitwert von 1.000 € Sofort-Rechtsschutz für sämtliche Rechtsgebiete an. Wie genau sieht Ihr Angebot aus und wie funktioniert das Ganze?

Mit unserem Sofort-Rechtsschutz helfen wir Menschen in allen Lebenslagen. Wir bieten ihn grundsätzlich für jede zivilrechtliche Klage an, die auf einen Geldbetrag gerichtet ist. Außerdem wollen wir, anders als einige Mitbewerber, nicht den Anwalt ersetzen, sondern uns als Kosten-Schutzschicht um das Mandatsverhältnis legen. Bei uns ist jeder Kunde frei in der Wahl seines Anwalts. Wir überprüfen mit dem von uns entwickelten Algorithmus die Risiko-Konstellation und übernehmen bei positiver Bewertung das gesamte Prozesskostenrisiko. Im Gegenzug erhalten wir bei Erfolg eine Beteiligung an der eingeklagten Summe. Je nach Fallkonstellation liegt diese Beteiligung zwischen 15 % und 42 %.

Sie bezeichnen sich selbst als FinSurTech-Unternehmen. Doch was genau bedeutet das?

Unser Service bildet die Schnittstelle zwischen digitalen Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Demzufolge kann man iubel sowohl als FinTech als auch als InsurTech kategorisieren. Da wir uns ungern von Entweder-Oder-Denken einschränken lassen, verstehen wir uns selbst als FinSurTech, das Elemente aus beiden Bereichen verbindet, damit sehr viel mehr Menschen schneller und risikoloser als bisher zu ihrem Recht kommen können.

Wie läuft die Risikoeinschätzung der bei Ihnen eingereichten Fälle ab und wie zuverlässig ist die Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit bereits?

Wichtig ist an dieser Stelle zunächst, dass unserer Einschätzung nicht gleichzusetzen ist mit der materiell rechtlichen Bewertung des Falls, da wir ein Risikoprofil nach den für uns relevanten Faktoren bestimmen. Dafür sind z. B. die Kläger-Beklagten-Situation relevant, der Streitwert und auch die rechtliche Anspruchsgrundlage, auf der eine Klage fußt. Ebenso spielt gegebenenfalls auch eine örtliche Komponente mit rein. Denn ein Gericht in Norddeutschland und ein Gericht in Süddeutschland entscheiden einen Fall oftmals nicht identisch. Dazu gehört aber auch, welches Risikoprofil in das derzeitige Portfolio bei uns passt. In den Verfahren, die wir bislang beendet haben, liegt die Erfolgsquote unserer Fälle über 90 %.

Auf welche Herausforderungen sind Sie bei der Programmierung des Algorithmus gestoßen bzw. stoßen Sie evtl. auch jetzt noch?

Ein Algorithmus ist grundsätzlich natürlich nur so gut wie seine Datengrundlage. Die verfügbare Menge juristischer Daten ist – anders als in anderen Wirtschaftsbereichen – allerdings stark begrenzt. Die Veröffentlichungsquoten von Gerichtsentscheidungen bewegen sich bei den kostenpflichtigen Datenbanken im niedrigen einstelligen Prozentbereich bis hin zu weniger als 1 %. Eine wesentliche Herausforderung besteht insofern darin, eine ausreichende Datenbasis zu erzeugen. Wir plädieren auch vor dem Hintergrund, dass der öffentliche Zugang zur Arbeit der Gerichte ein wesentlicher Baustein demokratischer Partizipation und Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips, für ein modernes, datengetriebenes Verständnis mit Blick auf die Veröffentlichungspraxis der Justiz.

iubel birgt für Rechtsratsuchende einige Vorteile. Wie aber sieht das in Hinblick auf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus?

Für Anwälte bietet unser Sofort-Rechtsschutz den klaren Vorteil, dass Mandanten, die vor den Kosten eines gerichtlichen Verfahrens zurückschrecken mit iubel die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte ungeachtet ihres Kontostandes durchzusetzen. Mit anderen Worten: Der Anwalt kann ein Mandat realisieren, das normalerweise nicht zustande gekommen wäre, weil der Mandant Angst vor den Kosten hat. In einer solchen Situation kann sich jeder Anwalt bzw. jede Anwältin bei uns melden – auch wenn er noch nicht Teil unseres Partneranwaltsnetzwerks ist. Außerdem akquirieren wir über iubel.de selbst Kunden, deren Anliegen wir an unsere Partneranwälte weiterleiten.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus?

Wir legen bei unseren Partneranwälten naturgemäß sehr hohe Maßstäbe an. Insbesondere kommt es uns auf zwei Dimensionen an: 1. Fachliche Expertise und 2. Effizienz der Prozesse. Wir sehen es für eine erfolgreiche Geltendmachung der Rechte unserer Kunden als unerlässlich an, dass die Anwälte, mit denen wir für unsere Kunden zusammenarbeiten, nicht nur in der Sache gute Arbeit leisten, sondern ihre Arbeit auch gut organisieren und zügig tätig werden.

In einem konkreten Fall funktioniert es so, dass der Anwalt bzw. die Anwältin das Mandat wie gewohnt durchführt – natürlich ohne, dass wir hier Einfluss nehmen. Wir werden in den Austausch mit dem Mandanten sowie der Gegenseite und dem Gericht eingebunden und übernehmen die notwendigen Kostenvorschüsse. Am Ende des Mandats rechnen wir direkt mit dem Anwalt oder der Anwältin ab und informieren den Mandanten.

Herr Dr. Stemplewski, ich danke für das Interview.

Das Interview führte Nadia Neuendorf.

Foto: Malte Dibbern
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Nadia Neuendorf arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Legal Tech. ffi-verlag.de

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