Digitales Kanzleimanagement

Eine Einführung in das digitale Kanzleimanagement (Teil 1): Ansatzpunkte für die Digitalisierung

Von Simon Ahammer

Durch die Vielzahl von technologischen Angeboten und Möglichkeiten in nahezu allen privaten und beruflichen Lebensbereichen ergeben sich auch für die Umsetzung eines erfolgreichen Kanzleimanagements neue digitale Ansätze. Was aber bedeutet „digitales Kanzleimanagement“ genau und worin liegen die Vorteile des Einsatzes moderner Softwarelösungen? Dieser Beitrag führt in das Thema ein und zeigt, wie Kanzleisoftware richtig für das digitale Kanzleimanagement genutzt werden kann sowie Beispiele für die Digitalisierung anhand der Fallbearbeitung.

Welche Bereiche fallen unter den Begriff „Kanzleimanagement“?

Der Begriff „Kanzleimanagement“ umschreibt alle zur Organisation notwendigen Elemente einer Kanzlei. Neben den Standardthemen „Personal“ und „Strukturierung der internen Abläufe und Prozesse (Kanzleiorganisation)“ umfasst modernes Kanzleimanagement auch die Themen „Qualitätsmanagement“, „Controlling“ und „Marketing“. Somit kann Kanzleimanagement grob in folgende Themenkomplexe untergliedert werden, welche miteinander verzahnt sind:

Mögliche Einsatzszenarien von digitalen Angeboten im Rahmen des Kanzleimanagements

Eine wichtige Rolle im digitalen Kanzleimanagement spielt die Kanzleisoftware. Deswegen soll zunächst darauf eingegangen werden, welche Bereiche der Kanzleiorganisation typischerweise von der Kanzleisoftware abgedeckt werden und inwieweit neue Cloud-Lösungen die Kanzleisoftware ergänzen können.

Funktionen einer typischen Kanzleisoftware

Seit der Markttauglichkeit von Personal Computern in den 1980ern gibt es branchenspezifische Software für Anwaltskanzleien, mit der insbesondere die Themenbereiche aus Abb. 2 abgedeckt werden:

Innerhalb einer Kanzlei werden diese Softwareangebote bis heute hauptsächlich vom Sekretariatspersonal genutzt, da Schwerpunkt all dieser Lösungen die „reine“ Organisation von Informationen zu laufenden Mandaten, insbesondere die Speicherung und Nutzung von fallbezogenen Daten, ist. Eine „proaktive“ Unterstützung der Berufsträgerin und des Berufsträgers bei der rechtlichen Fallbearbeitung und beim Durchlauf des Lebenszyklus eines Mandats war bis vor Kurzem meist nicht im Funktionsumfang derartiger Softwarelösungen enthalten.

Funktionserweiterung der Kanzleisoftware durch cloudbasierte Softwareangebote

Mit der zunehmenden Verbreitung von cloudbasierten Softwareangeboten auch im Rechtsmarkt (sogenannte „Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen“) ergeben sich nun neue technologische Möglichkeiten, die den Funktionsumfang „klassischer“ Software zur Kanzleiorganisation erheblich erweitern können.

Insbesondere im Bereich des Mandatsbearbeitungsmanagements sind zuletzt in den in Abb. 3 dargestellten Bereichen interessante neue Applikationen auf dem Markt erschienen:

Voraszsetzung für die Einführung neuer Technologien zur Umsetzung eines digitalen Kanzleimanagements

Bevor auf die Einsatzmöglichkeiten der oben genannten neuen Angebote eingegangen wird, soll noch kurz erläutert werden, warum es für die Umsetzung eines digital ausgerichteten Kanzleimanagements zunächst häufig der Implementierung einer cloudbasierten Kanzleisoftware bedarf – entgegen der Ansicht mancher Softwareanbieter in diesem Bereich.

Kanzleisoftware in der Cloud statt auf dem Server

Vielerorts läuft Kanzleisoftware noch lokal installiert auf den Servern der Kanzlei. Diese sogenannte On-Premises-Architektur ist grundsätzlich nicht darauf ausgelegt, einfach und sicher dauerhafte Verbindungen und Datenflüsse mit im Internet befindlichen Softwarelösungen von Drittanbietern zu unterstützen.

Zudem sind viele Kanzleisoftware-Angebote, welche für den lokalen Betrieb vor Ort konzeptioniert wurden, in sich selbst abgeschlossene Systeme, welche darauf ausgelegt sind, alle notwendigen Funktionen innerhalb einer einzigen Applikation zur Verfügung zu stellen („one-fits-all“-Ansatz). Die Anbindung derartiger Software an Drittsysteme von anderen Herstellern mittels Datenschnittstellen ist in der Architektur vieler vorhandener Kanzleiprogramme (manchmal absichtlich) überhaupt nicht vorgesehen.

Da neue Softwareapplikationen fast ausschließlich cloudbasiert entwickelt und vermarket werden (d.h. diese werden im Internet zur Verfügung gestellt), können diese nur noch in Ausnahmefällen (zu erheblich höheren Kosten) lokal beim Lizenznehmer installiert werden. Für „abgeschottete“ Systemlandschaften mit vor Ort installierter Kanzleisoftware bedeutet dies in Konsequenz, dass eine Nutzung der oben genannten Angebote für ein digitales Fallmanagement nicht oder nur nach Implementierung von komplexen Änderungen der bisherigen IT-Landschaft (eingeschränkt) möglich ist.

Kommunikation und Schnittstellen zwischen Applikationen

Wie bei der folgenden detaillierten Betrachtung der neuen Lösungen deutlich werden wird, ergänzen diese die vorhandenen Funktionalitäten „reiner“ Kanzleisoftware. Sie „veredeln“ insbesondere bereits vorhandene Daten der Kanzleisoftware, z.B. bei automatischer Dokumentenerstellung, oder ergänzen „intelligent“ die vorhandenen Informationen (z.B. Applikationen für die Falldatenerfassung). Führendes System bleibt aber weiterhin die Kanzleisoftware. Ohne eine Verbindung zwischen den Systemen zum Transfer von Daten geht deshalb ein Großteil des Potenzials der genannten Applikationen verloren. Denn ohne Datenschnittstelle werden viele manuelle Übertragungen von Informationen zwischen den Applikationen notwendig.

Im Gegensatz zu den beschriebenen Verbindungsproblemen bei lokal installierter Kanzleisoftware bieten die meisten cloudbasierten Angebote standardisierte, dokumentierte Schnittstellen an, welche eine Anbindung der „Helferapplikationen“ im Rahmen einer digitalisierten Fallbearbeitung mit geringem Aufwand ermöglichen.

So gibt es zum Beispiel für die (von einem US-amerikanischen Anbieter verkaufte) Kanzlei-Softwarelösung Clio einen eigenen „App-Store\", in welchem derzeit mehr als 200 unterschiedliche Erweiterungen von anderen Herstellern angeboten werden, die mit der Clio-Software verbunden werden können. Hierdurch kann der Funktionsumfang dieser Applikation für spezielle Bedürfnisse bei unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten der Kanzleien angepasst und erweitert werden.

 

Foto: Adobe Stock/©bizvector
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Simon Ahammer ist seit 1998 zugelassener Rechtsanwalt. Bereits während seines Studiums entwickelte er Software für den Rechtsmarkt. Im Rahmen seiner bisherigen beruflichen Laufbahn war Simon Ahammer unter anderem mit der Leitung der internen Softwareentwicklung in einer deutschen Mittelstandskanzlei betraut, als Head of Legal Tech beim juristischen Fachverlag C.H. Beck und als Produktmanager bei Wolters Kluwer tätig. Er berät Kanzleien und Rechtsabteilungen zu Digitalisierungsstrategien. Unter der Adresse legal-tech-nerd.de bloggt er zu Legal Tech-Themen.

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