Digitale Kommunikation

Digitale Kommunikation in der Anwaltskanzlei: So optimieren Sie Ihre Zusammenarbeit

Von Andreas Duckstein

„Ich will doch nur Bagger fahren.“ Mit diesem Satz wurde ein kleiner Junge vor einiger Zeit zum sympathischen YouTube-Helden und das heimlich gedrehte Video seines Vaters ging viral. Im Kern geht es darum, dass der Junge nur seiner Lieblingsbeschäftigung (Bagger fahren) nachgehen möchte und die ungeliebten Dinge (Hausaufgaben machen) möglichst lange vor sich herschiebt. Was das mit digitaler Kommunikation und Zusammenarbeit zu tun hat und wie Sie diese Themen in Ihrer Kanzlei angehen können, das erfahren Sie in diesem Beitrag.

Anwaltschaft zwischen Fristen und Innovationsdruck

Ich muss oft an den kleinen Jungen aus dem Video denken, wenn ich mich mit Kollegen und Kolleginnen über ihre (digitale) Kanzleiorganisation unterhalte. Und das ist gar nicht despektierlich gemeint. Die Erfahrung aus unseren Beratungsprojekten zeigt aber, dass viele Anwältinnen und Anwälte, die fachlich kompetent sind, hochwertige Leistungen bieten und mit Herzblut ihrem Beruf nachgehen, oft wenig Ambitionen hegen, sich nach einem x-stündigen Kanzleitag auch noch darum zu kümmern, die eigene Kanzleiorganisation zu optimieren.

Das ist nachvollziehbar. Es nützt aber nichts, denn eine datenschutzrechtlich und berufsrechtlich saubere (digitale) Kommunikation intern mit den Mitarbeiter:innen und extern mit den Mandanten und Mandantinnen gehören heute ebenso dazu, wie die Möglichkeit der ortsunabhängigen Zusammenarbeit im Team und mit externen Dritten. Man muss das nicht immer alles gut finden. Aber wenn man nicht den Anschluss verlieren möchte, muss man sich damit auseinandersetzen.

Homeoffice & die digitale Kanzlei

Nicht erst Corona hat uns gezeigt, dass eine ortsunabhängige Arbeitsweise viele Vorteile bietet. Und die Zahl der Mitarbeitenden in Kanzleien, die sich auch für die Zeit nach Corona ganz oder teilweise Homeoffice wünschen, ist enorm gestiegen. Gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind in Kanzleien gefragter denn je – und als attraktiver Arbeitgeber wird man sich den Themen Homeoffice und mobiles Arbeiten stellen müssen.

Auch die Erwartungshaltung der Mandantschaft steigt permanent. Ob man B2C oder B2B arbeitet, ist dabei nicht wirklich relevant. Die Mandanten und Mandantinnen erwarten Transparenz in der anwaltlichen Arbeit, Schnelligkeit und einen bequemen Ablauf – gerne auch optimiert für das Smartphone (Mandanten-App). Kanzleien können hier mit Lösungen punkten, die in erster Linie der Mandantschaft das Handling erleichtern. Wenn es dazu noch den Kanzleien die Arbeit vereinfacht, ist es toll.

Viele verschiedene Tools statt nur einer Software

Leider kommen nur wenige Softwarelösungen aufgrund der strengen datenschutzrechtlichen und berufsrechtlichen Anforderungen für den Einsatz in Anwaltskanzleien in Betracht. Wichtig ist, zu verstehen, dass moderne Kanzleien oft einen modularen Ansatz verfolgen: Man versucht heute nicht mehr krampfhaft, alle Funktionen in einem Programm zu vereinen. Traditionelle Anwaltsprogramme (RA-Micro, DATEV, AnNoText etc.) sind dafür auch nicht gemacht, da sie einen aktenbezogenen Aufbau haben. Für die Arbeit im Team benötigt man jedoch prozessbezogenes Handling, dass sich eher an Kanzleiabläufen und Workflows orientiert. Daher nutzen moderne Kanzleien oft eine Handvoll an Tools, die ihnen die Arbeit in bestimmten Bereichen erleichtert.

Damit das alles gut funktionieren kann, bedarf es jedoch einiger Anpassungen in der Arbeitsweise – und klarer Regeln.

Status-Quo-Analyse als erster Schritt zur digitalen Kommunikation

Wir haben in unzähligen Projekten Kanzleien unterschiedlicher Größenordnung bei der digitalen Transformation begleitet und die nahtlose Implementierung von Tools und Software unterstützt. Die schlechte Nachricht ist: Abschauen beim Nachbarn oder der Nachbarin hilft nicht.

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass es nicht die eine Lösung gibt, die immer und überall für jede Kanzlei passt. Vielmehr sollten Sie sich als Kanzlei zuerst über Ihre konkreten Anforderungen an die Kommunikation intern sowie extern klar werden und dann erst auf die Suche nach Tools gehen. Dazu ist es wichtig, dass Sie Anwält:innen und Mitarbeiter:innen zusammen an einen Tisch bringen und sich folgende Fragen stellen:

  1. Wo stehen wir heute und welche Technik/Software nutzen wir bereits für die interne und externe Kommunikation?
  2. Wo wollen wir hin? Welche Herausforderungen wollen wir lösen und warum?
  3. Was muss die neue Software/das Tool können, damit es unsere Herausforderungen löst?
  4. Wie viel Zeit geben wir uns für die Umsetzung?
  5. Wie können wir das Ergebnis so gestalten, dass wir unsere Mandantinnen und Mandanten glücklich machen?

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit ins Boot holen

Dabei ist es besonders wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf die Reise mitnehmen. Nur so können Sie sicherstellen, dass die Kommunikationssoftware später im Alltag auch genutzt wird. Meine Empfehlung wäre daher, dass Sie allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beim nächsten Jour Fixe das Projekt vorstellen und mitteilen, dass jetzt in einem kleinen Team nach einer passenden Lösung gesucht wird. Wer Interesse hat und sich beteiligen möchte, darf sich einbringen. So können Sie ein Team zusammenstellen, das einerseits motiviert ist und andererseits klein genug, um agil zu bleiben und schnell voranzukommen.

Mit diesem kleinen Team gehen Sie dann auf die Suche. Definieren Sie Ihre Anforderungen, beantworten Sie die o. g. Fragen und verschaffen Sie sich einen Überblick über das Angebot auf dem Markt. Dann sollten Sie im Team die drei aus Ihrer Sicht erfolgversprechendsten Tools testen und bewerten. Eine mögliche Auswahl von Tools finden Sie in der Infobox zu diesem Beitrag.

Perfektionismus ist fehl am Platz

Bleiben Sie dabei bitte offen und neugierig. Das perfekte Tool gibt es nicht. Schauen Sie einfach, ob es Ihre Anforderungen überwiegend erfüllt oder eben nicht. Die digitale Kanzlei ist ein Weg mit vielen Schritten. Wichtig ist es, sich auf den Weg zu machen.

Nichts tun ist hingegen keine Lösung: Wenn Sie nichts verändern, wird sich Ihre Kanzlei trotzdem verändern. Denn der Markt verändert sich. Ihre digitale Kommunikation und Zusammenarbeit sinnvoll zu strukturieren, ist ein guter Schritt, die Veränderung positiv zu beeinflussen.

Am Ende werden Sie zufriedenere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben, die mit Ihnen als Anwältin oder Anwalt und untereinander besser kommunizieren und ihre Aufgaben organisieren können. Das schafft auch mehr Freiraum für andere Dinge.

Verbesserung der Mandantenbindung durch gute digitale Kommunikation

Durch eine einfache und sichere Kommunikation zu Ihrer Mandantschaft, z. B. durch eine Mandanten-App, verbessern Sie zudem die Mandantenbindung und heben sich von anderen Kanzleien ab. Ein Projektmanagement-Tool ermöglicht Ihnen, dass Sie z. B. mit dem Steuerberater der Mandantin gemeinsam ein Projekt begleiten können und der Mandantin dadurch einen deutlichen Mehrwert bieten. So haben alle Beteiligten einen besseren Überblick über den Stand des Projekts, die nächsten Schritte und zu erledigende Aufgaben. Damit können auch größere Projekte strukturiert und effizient umgesetzt werden. Nicht zuletzt dürfte sich das auch positiv auf Ihren Umsatz auswirken.

Fazit: Vielfältige Angebote offen und neugierig testen

Im Ergebnis sprechen viele Gründe dafür, die Themen Kommunikation und Zusammenarbeit digital zu strukturieren und hierfür geeignete Tools einzusetzen. Dabei muss man sich nicht auf traditionelle Aktensoftware verweisen lassen, sondern sollte auch andere, spezialisierte Anbieter offen und neugierig testen.

Grundsätzlich kann man Kommunikation einerseits und Zusammenarbeit (z. B. durch Projektmanagement) andererseits in verschiedenen Tools abbilden. Einige Anbieter haben aber auch Lösungen geschaffen, die beides sinnvoll miteinander kombinieren (siehe Infobox). Das vermeidet unnötige Insellösungen.

Um wieder auf das Video von dem kleinen Jungen, der immer nur Bagger fahren möchte, zurückzukommen: Schieben Sie die unliebsamen Aufgaben nicht länger auf. Am besten Sie gehen das Thema zeitnah an und nehmen es mit auf die Agenda der nächsten Partnerbesprechung in der Kanzlei. Hierbei wünsche ich Ihnen von Kollege zu Kollege und Kollegin viel Spaß und maximale Erfolge.

Foto: Adobe Stock/alexey chigretskiy
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Rechtsanwalt Andreas Duckstein, LL.M. berät und unterstützt mit seiner Innovationsagentur LAW APOYNT Solutions seit Jahren Rechtsanwält:innen und Steuerberater:innen beim Aufbau digitaler Strukturen und der Transformation zur papierlosen Kanzlei. Er ist selbst Inhaber einer mittelständischen, volldigitalen Kanzlei und kennt die Herausforderungen daher aus erster Hand.

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