Legal Tech Umfrage

Die Digitalisierung steht erst am Anfang: Die Ergebnisse der großen Legal Tech-Umfrage 2021 im Überblick

Von Nadia Neuendorf

Hat die Coronakrise Kanzleien und Rechtsabteilungen tatsächlich einen Digitalisierungsschub verpasst? Wie stark ist das digitale Arbeiten wirklich schon verankert und wo steckt das größte Optimierungspotenzial? Mithilfe der großen legal-tech.de-Umfrage wollten wir diese und weitere Fragen beantworten. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:

Befragungszeitraum: November 2020 bis März 2021Die rund 500 Teilnehmer:innen der Umfrage aller Altersstufen sind zu 53 Prozent Volljurist:innen, zu 26 Prozent Studierende bzw. Referendar:innen, zu 16 Prozent Unternehmensjurist:innen und zu 6 Prozent Jurist:innen im öffentlichen Dienst.

Legal Tech – wer kennt sich aus?

Legal Tech setzt sich aus „legal services“ und „technology“ zusammen und bezeichnet die Digitalisierung der juristischen Arbeit. Alles mit dem Ziel, einzelne Arbeitsprozesse, aber auch ganze Rechtsdienstleistungen zu digitalisieren und damit effizienter zu gestalten. So können mühsame Prozesse und Routineaufgaben im besten Fall ohne großen Aufwand oder sogar gänzlich automatisiert ablaufen. Oftmals kann die Qualität der Arbeit gesteigert und die Kosten gesenkt werden.

16 Prozent der Anwältinnen und Anwälte kennen sich nach eigener Aussage sehr gut mit diesem Thema aus. Ein deutlich größerer Teil der Befragten gibt an, sich gut (39 Prozent) oder nur oberflächlich (41 Prozent) mit Legal Tech und den damit verbundenen Möglichkeiten auszukennen. Nur 4 Prozent sind gar nicht mit dem Thema vertraut.

Am besten informiert sind Volljurist:innen in Großkanzleien mit mehr als 50 Berufsträgern (67 Prozent geben an, sich sehr gut oder gut auszukennen), dicht gefolgt von Jurist:innen aus Kanzleien mit zwei bis 14 Berufsträgern. Hier geben 65 Prozent an, sich gut oder sehr gut mit Legal Tech auszukennen. Von den Einzelanwältinnen und -anwälten geben 56 Prozent an, sich gut oder sehr gut auszukennen, bei den Unternehmensjurist:innen 58 Prozent. Jurist:innen im öffentlichen Dienst sind nach eigener Aussage am schlechtesten über Legal Tech informiert, hier geben nur 37 Prozent an, gut oder sehr gut über Legal Tech Bescheid zu wissen.

Seit wann in aller Munde?

Interessant ist auch die Frage, seit wann sich Juristinnen und Juristen mit dem Thema Legal Tech auseinandersetzen. Geht man davon aus, dass Legal Tech in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen hat und Universitäten erst kürzlich begonnen haben, das Thema in Lehrveranstaltungen zu thematisieren, stellt sich die Frage, wann genau die Auseinandersetzung und Implementierung von digitalen Prozessen in Kanzleien und Rechtsabteilungen begonnen hat.

Hier bestätigt sich, dass Legal Tech ein noch recht junges Thema ist: Nur 8 Prozent aller Befragten geben an, sich schon seit mehr als zehn Jahren mit Legal Tech zu beschäftigen. 20 Prozent tun dies seit mehr als fünf Jahren. Die meisten haben allerdings erst vor höchstens drei Jahren begonnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: Ein Viertel aller Befragten befasst sich seit etwa drei Jahren mit Legal Tech, 24 Prozent seit etwa zwei Jahren und ebenfalls 24 Prozent erst seit letztem Jahr.

Coronakrise – ein Digitalisierungskatalysator?

Hatte die Coronakrise Auswirkungen auf die Digitalisierung in deutschen Kanzleien und Rechtsabteilungen? Hier scheiden sich die Geister: 26 Prozent der Jurist:innen sagen, dass sie aufgrund der Pandemie deutlich digitaler arbeiten, dagegen geben 21 Prozent an, die Coronakrise habe in Sachen Digitalisierung keinerlei Änderungen mit sich gebracht. Der Rest findet sich irgendwo dazwischen: 36 Prozent arbeiten etwas digitaler und 16 Prozent nur unwesentlich digitaler als vor Corona. Den meisten scheint die Coronakrise demnach aber einen – zumindest kleinen – Digitalisierungsschub verpasst zu haben.

Am stärksten hat sich die Coronakrise in Bezug auf das digitale Arbeiten in Großkanzleien und Rechtsabteilungen ausgewirkt. Hier geben 36 bzw. 37 Prozent an, nun wesentlich digitaler zu arbeiten. Bei den Jurist:innen im öffentlichen Dienst sind es 23 Prozent, bei den Einzelanwältinnen und -anwälten 20 Prozent.

Anwaltschaft in Sachen beA zwiegespalten

Ebenso spannend ist diese Frage mit Blick auf das beA. Hier zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Ein gutes Viertel aller Anwältinnen und Anwälte arbeitet mit dem beA deutlich digitaler und effizienter, 30 Prozent konnten ihre Arbeit mit dem beA etwas digitaler und effizienter gestalten. Ein weiteres Viertel konnte kaum profitieren und 19 Prozent gar überhaupt nicht.

Anwältinnen und Anwälte aus Großkanzleien machten durch das beA zu 11 Prozent deutliche Fortschritte bei der Digitalisierung. Bei den Jurist:innen aus mittelständischen Kanzleien waren es schon 29 Prozent und bei den Einzelanwältinnen und -anwälten gar ein Drittel aller Befragten.

Schnellere Dokumentenerstellung und -analyse durch Legal Tech

Legal Tech ist vielfältig und kann in vielen Bereich zum Einsatz kommen. Die Tools im Markt zeigen, was möglich ist. Doch in welchem Bereich steckt aus Sicht von Juristinnen und Juristen das größte Optimierungspotenzial?

Fast zwei Drittel (59 Prozent) – und damit die meisten – sehen großes Potenzial im Bereich der Dokumentenerstellung. Nur etwas weniger, und zwar die Hälfte aller Befragten (51 Prozent), sieht deutliches Optimierungspotenzial bei der Kanzleisoftware und Schnittstellen zu neuen Tools sowie bei der Analyse von Dokumenten (50 Prozent), um hieraus beispielsweise relevante Informationen zu extrahieren. 47 Prozent sehen großes Potenzial bei der Entlastung des Sekretariats, denn hier fallen besonders häufig Routinetätigkeiten an. Doch auch bei der Recherche und Arbeit mit juristischen Datenbanken (45 Prozent) und der Kommunikation nach außen (42 Prozent) z. B. mit Mandanten, Behörden und Gerichten, ist für viele noch Luft nach oben.

Fazit: Digitalisierung nimmt Fahrt auf

Ein Großteil der Juristinnen und Juristen (73 Prozent) beschäftigt sich erst seit ein bis drei Jahren bewusst mit dem Thema Legal Tech. Ein Viertel davon hat sogar erst im letzten Jahr damit begonnen. Diese Zahlen machen deutlich, dass die Digitalisierung und Legal Tech in der Anwaltschaft erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen. Das zeigt auch der hohe Anteil von 40 Prozent der Juristinnen und Juristen, die sich nur oberflächlich mit dem Thema auskennen.

Der große Anteil von 24 Prozent, der sich erst im letzten Jahr intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt hat, zeigt, dass auch die Coronakrise einige, wenn auch eher unfreiwillig, zum Gehen neuer Wege animiert hat. Doch das ist nur der Anfang. Wie auf dieser Basis aufgebaut wird, werden wir mit Spannung – und der nächsten Legal Tech-Umfrage – beobachten.

Foto: Adobe.Stock/©thodonal

Wir bedanken uns recht herzlich bei unseren Medienpartnern beck-shop.de  und LTO für die freundliche Unterstützung bei der Verbreitung der Umfrage.

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Nadia Neuendorf arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Legal Tech. ffi-verlag.de

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