Legal Tech-Kanzleipreis

Der 1. Legal Tech-Kanzleipreis – das sind die Gewinner

Von Nadia Neuendorf

„Die Anwaltschaft ist zukunftsorientiert und modern – dies wird durch die Verleihung des ‚Legal Tech Kanzleipreis des DeutschenAnwaltVerein‘ fortan noch sichtbarer werden.“ So die Aussage des Deutschen Anwaltvereins bei Ausrufung des ersten Legal Tech-Kanzleipreises. Am 27.9.2022 war es dann soweit: Die ersten Kanzleien wurden für ihre innovativen Ideen im Bereich Digitalisierung des Rechts ausgezeichnet. Der Preis soll künftig alle zwei Jahre verliehen werden. Kriterien zur Vergabe waren Digitalität, Progressivität, Innovationsfähigkeit, Sicherheit, Vorbildfunktion, Kreativität sowie Vertraulichkeit.

Was ist zum jetzigen Zeitpunkt möglich in Sachen Digitalisierung und welche Kanzleien wurden im Rahmen der Online-Veranstaltung ausgezeichnet?

„Digitalisierung für Mandanten“ – so lautete die Devise von DAV-Präsidentin Edith Kindermann bei ihrem Grußwort zur Preisverleihung zum 1. Legal Tech-Kanzleipreis. Doch sie beobachte durchaus unterschiedliche Geschwindigkeiten in Sachen Digitalisierung in den Kanzleien. Habe man aber erste Schritte gemacht, sei die Mehrheit begeistert. Verhalten reagierten vornehmlich die, die bislang kaum Berührung zur Digitalisierung hatten oder schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Veränderte juristische Arbeitsweisen

Auf das Grußwort von Edith Kindermann folgte Rechtsanwältin Ulrike Meising mit einer einstündigen Bestandsaufnahme zu Legal Tech in Deutschland und den Veränderungen anwaltlicher Arbeit. Sie legte den Finger in die Wunde und verglich gleich zu Beginn die Fehlerkultur in den Fachbereichen Jura und IT. In der IT gehörten Fehler dazu, es werde offen damit umgegangen und als Chance zur Weiterentwicklung gesehen. Im juristischen Bereich beobachte sie dagegen, dass Fehler vertuscht oder anderen in die Schuhe geschoben würden. Ebenso kritisierte sie die Entwicklung hin zu Lead Conversion statt Beratung, und „One-Trick-Ponies“ der Rechtsberatung – gemeint sind Rechtsdienstleister, die sich auf ein einziges Angebot wie Kündigung oder Scheidung spezialisiert haben. Dies stehe Meising zufolge im Konflikt zur anwaltlichen Berufspflicht der ganzheitlichen Beratung und berge das Risiko des Rechtsverlustes.

Positiv bewertete sie die Zunahme der Plattformökonomie: So sei es mittlerweile anerkannt, Terminsvertretungen über Online-Anbieter zu vereinbaren oder Rechtsdurchsetzung in Bereichen anzubieten, die für klassische Kanzleien nie interessant waren. Man denke an Online-Inkasso – ebenfalls nicht gänzlich frei von Kritik – bei Flugverspätungen oder Mieterhöhungen. Sie rief ihre Kolleginnen und Kollegen dazu auf, selbst aktiv zu werden, z. B. im DAV mit direkter Vernetzung zum Bundesjustizministerium oder im Legal Tech-Verband.

Änderungen Arbeit Anwalt

Kritik Online Inkasso

Legal Tech-Preis in den Kategorien Geschäftsmodell, Newcomer und Technologie

Es folgte die Preisverleihung: In der ersten Kategorie Geschäftsmodell wurde die Rechtsanwaltsgesellschaft Hopkins, vertreten durch Simon Wolff, mit ihrem Angebot einer digitalen Großkanzlei für Privatpersonen ausgezeichnet. Basis des Angebots ist eine Claim-Check-Software auf der Kanzleiwebsite, die eine orts- und zeitunabhängige Kontaktaufnahme mit der Kanzlei und eine erste Prüfung des Falls ermöglicht. Daten potenzieller Mandant:innen können automatisiert erfasst und strukturiert in die Kanzleistruktur überführt werden. Bislang wurden mit der Software 7.000 Fälle, u. a. in den Bereichen Arbeitsrecht, Sozialrecht und Steuerrecht bearbeitet. Vor allem jüngere Rechtssuchende begrüßten das Angebot der Rechtsberatung, die jederzeit verfügbar ist und mit wenig persönlichem Kontakt auskommt, so Wolff.

Fall Hopkins Legal Tech Kanzleipreis

Es folgte die Kategorie Newcomer. Ausgezeichnet wurde hier die Kanzlei Dornkamp, repräsentiert von Prof. Dr. Felix Buchmann und Chiara Panfili. Die Kanzlei verfolgt innovative Ansätze zur Arbeitsorganisation: So gibt es keine Erwartungen an billable hours und der Arbeitsort ist frei wählbar. Möglich wird das durch vollständig papierloses Arbeiten in der Cloud. Panfili betonte, dass sämtliche Digitalisierungsschritte dazu führten, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von langweiligen Routineaufgaben befreit würden und mehr Zeit für das Einbringen echter juristischer Expertise bliebe.
Die Kanzlei bietet ein „Rating & Review Monitoring Tool“ für Unternehmen an, das diesen ermöglicht, Bewertungen im Internet zu verfolgen und automa­tisiert eine erste Einschätzung zu erhalten, gegen welche Bewertungen vorgegangen werden kann und sollte.

Dornkamp Legal Tech-Kanzleipreis

In der dritten Kategorie Technologie wurde die Kanzlei Tsambikakis, vertreten durch Diana Nadeborn, für ihre „Tsambikakis App“ ausgezeichnet. Die App, die häufig im Bereich Wirtschaftsstrafrecht zum Einsatz kommt, bietet eine Rundumbetreuung im Fall von (drohenden) Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Die App informiert über die korrekte Verhaltensweise und beantwortet die wichtigsten Fragen. Zudem steht eine Notfallnummer für rechtliche Beratung zur Verfügung. Als Erweiterung ist die Unterstützung bei Ransomware-Angriffen in Planung.

Tsambikakis App Legal Tech-Kanzleipreis

Mit Digitalisierung zu mehr Zugang zum Recht

Die Preisträger:innen des 1. Legal Tech-Kanzleipreises haben gezeigt, wie die Digitalisierung den Zugang zum Recht erhöht und wie sich Modelle und Gewohnheiten aus anderen Branchen auf die Rechtsberatung übertragen lassen – ganz nach dem Motto „Digitalisierung für Mandant:innen“. Grund genug, echte Vorreiter zu würdigen und Vorbilder sichtbar zu machen.

Bild: DeutscherAnwaltVerein
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