Legal Tech-Gesetz

Das neue Legal Tech-Gesetz: Was bringt es Kanzleien wirklich?

Interview mit advocado-CEO Andreas Schröteler

Von Nadia Neuendorf

Am 1.10.2021 tritt das Legal Tech-Gesetz (oder richtig formuliert: Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt) in Kraft. Doch was genau bedeutet das Gesetz für die Arbeit von Anwältinnen und Anwälten? Und sorgt es tatsächlich für die erhoffte Chancengleichheit zwischen Kanzleien und Legal Tech-Unternehmen? Andreas Schröteler ist CEO der Anwaltsplattform advocado und teilt im Interview seinen Blick auf die Änderungen.

Herr Schröteler, wie schätzen Sie den Nutzen des „Legal Tech-Gesetzes“ für die Anwaltschaft ein?

Andreas Schröteler: Wir sprechen hier von der ersten Reform des Rechtsdienstleistungsmarkts nach einer langen Zeit. Ich sehe den eigentlichen Erfolg darin, dass Anwältinnen und Anwälten das Erfolgshonorar vor allem dort erlaubt wird, wo sie auch Inkassodienstleistungen anbieten. Ein wichtiger Schritt ist auch, dass pfändbare Geldforderungen bis 2.000 Euro zugelassen werden. Allerdings setzt das beschlossene Gesetz leider immer noch sehr viele Grenzen. So ist das Verbot der Prozessfinanzierung nicht gelockert worden. Ich empfinde es nicht als ausreichend, dass diese Verfahrensfinanzierung nur bei außergerichtlichen Inkasso- und gerichtlichen Mahnverfahren zulässig ist. Obwohl das Gesetz Anwältinnen und Anwälten für ihre freie Berufsausübung und damit auch den Legal Tech-Unternehmen nun mehr Möglichkeiten gewährt, halte ich es am Ende doch eher für eine „homöopathische Maßnahme“. Wenn man sich die beschlossenen Richtlinien genauer anschaut, würde ich hier ehrlich gesagt eher von einem „Legal-Inkassogesetz“ sprechen. Denn es ist doch sehr auf das Thema Inkasso zugeschnitten.

Was wird sich in Kanzleien zunächst ändern, wenn das neue „Legal Tech-Gesetz“ am 1.10.2021 in Kraft tritt?

A. S.: Ich denke zu Beginn nicht allzu viel. Es wird sich eher etwas bei den Inkasso-Legal-Tech-Unternehmen ändern. Einerseits sind diese Modelle nun „rechtssicher“, andererseits unterliegen sie jetzt einer höheren Regulierung. Darauf wird man sich schnell einstellen müssen. Allerdings ist es nun möglich, auf einfachere Art und Weise Erfolgshonorare zu vereinbaren. Dadurch wird sich das Angebot von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen für Mandanten und Mandantinnen schnell ausweiten.

Wie stehen Sie als CEO eines Legal Tech-Unternehmens zu dem Gesetz?

A. S.: Ich empfinde das Legal Tech-Gesetz als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sehe ich auch einige fehlende Punkte, das betrifft sowohl Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als auch Legal Tech-Unternehmen. Ich hoffe deshalb, dass diese erste Reform in den kommenden Jahren ein Umdenken anstößt. Als erstes muss der Rechtsmarkt damit aufhören, sich abzuschotten. Mit dieser Angst vor Veränderungen steht er sich am Ende nur selbst im Weg. Diese Trennung von Legal Tech-Unternehmen und klassischer Anwaltsbranche muss meiner Meinung nach aufhören. Man sollte berücksichtigen, dass der Legal Tech Verband gerade in Zusammenhang mit diesem Gesetz auch die Interessen der allgemeinen Anwaltschaft vertreten hat.

Ich stehe als CEO eines Legal Tech-Unternehmens zu meiner Meinung, dass die Tätigkeitsspektren von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen erweitert werden müssen. Die Zukunft der Rechtsberatung wird meiner Überzeugung nach immer digitaler. Denn das Potenzial neuer Technologien ist im Rechtsmarkt noch lange nicht ausgeschöpft.

Welche zentralen Vorteile bringt das Gesetz kleinen und mittelgroßen Kanzleien?

A. S.: Kleinere Kanzleien haben jetzt die Möglichkeit, mit einer weiteren Spezialisierung auf Inkassodienstleistungen in Verbindung mit Legal Tech eine deutliche Ausweitung ihres Geschäftsspektrum zu erreichen. Allerdings muss man auch konstatieren, dass mit der neuen Regelung den Legal Tech-Inkassodienstleistern Vorteile gegenüber Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eingeräumt wurden, da diese keinen Beschränkungen hinsichtlich der Risikofinanzierung unterliegen. Dadurch ergeben sich natürlich Zweifel, ob die Neuregelung nicht eher wieder den großen Anwaltskanzleien nützt. Außerdem bleibt die Konformität zur geltenden Rechtslage in der EU abzuwarten, die eine gerechte Chancenverteilung vorsieht. Ein weiterer zentraler Vorteil ist das Thema Erfolgshonorare.

Welche Rolle wird das Erfolgshonorar für Anwältinnen und Anwälte zukünftig spielen?

A. S.: Die neuen Regelungen zu den Erfolgshonoraren (im außergerichtlichen Verfahren ohne Begrenzung, im gerichtlichen Verfahren bis zu 2.000 Euro) erlaubt es Anwältinnen und Anwälten erstmalig, Risiken der Mandanten und Mandantinnen abzufedern. Die starren existierenden Abrechnungssysteme berücksichtigen das Kostenrisiko des Mandanten oder der Mandantin häufig nur unzureichend, insbesondere bei kleineren Streitwerten. Hier können die Anwältinnen und Anwälte von jetzt an ihre Mandant:innen besser unterstützen. Die eingeführte Obergrenze lässt jedoch auch wieder eine gewisse Halbherzigkeit erkennen, da diese Möglichkeit auch bei großen Verfahren gegeben sein sollte.

Adobe Stock/Foto: Frank Peters
Nadia Neuendorf
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