Legal Tech ist nicht nur Technik – Bericht vom Anwaltszukunftskongress

Von Bettina Taylor

Die wichtigsten Lehren des Anwaltszukunftskongress in Düsseldorf hatten weder mit Technik noch mit Juristerei zu tun. Grundvoraussetzung für Legal Tech ist vor allem die richtige Einstellung. Diese Legal Tech-Tipps haben wir aus den Gesprächen mit den Referenten mitgenommen.

Legal Tech ist interdisziplinär

Die Rednerliste des von Soldan und Wolters Kluwer Deutschland organisierten Kongresses im Düsseldorfer Intercontinental Hotel vom  08. bis 09. September zeichnete sich durch eine bunte Mischung aus. Den Anfang machte Prof. Wolfgang Henseler, der Digitale Medien und Intermediales Design an der Hochschule in Pforzheim lehrt. Prof. Dr. Björn Bloching, Senior Partner bei Roland Berger, referierte über das Thema „Big Data“ und ist Unternehmensberater und Ökonom. Im Interview erklärte er: „Wenn ein einfacher Anwalt Daten für seine Rechtsberatung nutzen möchte, hilft es schon, klein anzufangen. Das sieht man an Beispielen wie flightright.de. Das Verfahren zur Durchsetzung von Fluggastrechten ist ziemlich einfach, aber die Erfolgsquote um die 90 Prozent.“ Letztlich ginge es darum, Daten fokussiert für einen Anwendungsfall zu nutzen und diese auszuwerten. Müssen Juristen dann in Zukunft enger mit IT-lern zusammenarbeiten? Man müsse zumindest darüber nachdenken, so Bloching: „Da gibt es große Berührungsängste, weil sich die meisten Juristen wirklich nicht als Naturwissenschaftler oder Techniker sehen. Innovationen finden aber an Schnittstellen statt, also zwischen den Disziplinen. Die Welt wird immer komplexer.“ Für einen professionellen Umgang mit Daten, braucht man nicht gleich Informatiker zu sein. Wer zum Beispiel im Rahmen von Suchmaschinenoptimierung die Reichweitenzahlen seine Kanzleiwebseite analysiert, kann nützliche Fragen beantworten: Wo wohnen meine Mandanten? Über welche Quellen kommen sie zu mir? Anwälte, die derartige Tools im Arbeitsalltag nutzen, arbeiten schon interdisziplinär.

Legal Tech ist analytisch

Technik ist nicht das einzige, was Legal Tech ausmacht, wie im Gespräch Referent Tobias Heining klar wird. Er ist Director of Business Development & Communications bei der internationalen Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle. Was würden Sie einem ‚normalen Anwalt‘ raten, um den ersten Schritt zur Digitalisierung zu machen? Seine Antwort: „Das ist letztlich ein gedanklicher Schritt. Welche Lösungen und Möglichkeiten gibt es, um effizienter zu arbeiten? Früher war das zum Beispiel das Sekretariat, heute ist es vielleicht eine Software.“ Auf dieser Ebene argumentiert auch Dr. Dierk Schindler, Head of Legal Field EMEA & Global Legal Shared Services bei der NetApp Deutschland GmbH. Er empfiehlt „ein Ökosystem an Kooperationspartnern“, mit denen sich Kompetenzen je nach Bedarf flexibel auslagern lassen: „Dabei geht es nicht zwingend oder primär um Technik“, erklärt er. Als ehemaliger Partner einer mittelständischen Kanzlei betont Dierk, dass kleinere Kanzleien trotz geringerem Budget einen entscheidenden Vorteil gegenüber der größeren Konkurrenz haben: „Innovationen sind in mittelständischen Kanzleien oft leichter umzusetzen, weil die Agilität in einer kleineren Einheit höher ist. Sie können sich schneller am Markt bewegen. Wer Outsourcing, Serviceprovider oder Legal Tech intelligent nutzt, kommt in die Lage, Mandate betreuen zu können, die vorher die Kapazitäten überschritten hätten. Außerdem können sie nicht nur die Effizienzgewinne nutzen, sondern meistens preisaggressiver als große Kanzleien sein."

Legal Tech ist unternehmerisch

Kleine Kanzleien sind zwar agil, bei dem ganzen Startup-Hype, der zurzeit durch die deutsche Anwaltsbranche, geht, mag sich so mancher Kongressteilnehmer jedoch gefragt haben: Hat die klassische Kanzlei als Geschäftsmodell ausgedient? „Auf keinen Fall!“, sagt Martin Krämer vom Softwareunternehmen DATEV. Er referierte über das Thema Geschäftsmodelle in Zeiten der Digitalisierung und äußerte sich ganz klar: „Wer sagt: ‚In zehn Jahren gibt es mich nicht mehr‘, sollte sofort aufhören. Man sollte sich mit dem Potential und den Chancen beschäftigen, die neue Technologien und Märkte bieten.“ Krämer zieht folgende Frage vor: Was muss man an der Kanzlei als Geschäftsmodell ändern? Auch wenn juristische Feinsinnigkeit die Kernkompetenz des Anwalts sei, werde unternehmerisches Denken immer wichtiger: „Wie verdiene ich mehr Geld als heute? Das mag zwar eine kapitalistische Denkweise sein, aber es ist eine Perspektive, die hilft, zu überlegen: Wo werde ich bedroht? Wo kann ich Chancen nutzen? Und ich glaube davon gibt es allerhand.“

Legal Tech ist kundenorientiert

Ein Rechtsanwalt, der dauerhaft mehr Geld verdienen möchte, muss zuallererst die Sicht seines Mandanten einnehmen, meint Krämer außerdem: „Jeder Mandant ist letztlich auch ein Kunde mit einem Bedarf. Und den kann man gut und schlecht befriedigen. Wie fühlt sich ein Mandant hinterher wohler als vorher? Die Digitalisierung ist nichts weiter als ein Vehikel dafür.“ Das fange bei der einfachen E-Mail an (schnellere Kommunikation) und höre bei hochentwickelter Software rund um das Kanzleimanagement auf (Dokumentenmanagement-Systeme, Anwaltssoftware etc.).

Legal Tech ist Mitarbeiterführung

Als Leiter des Bereichs Service und Produkte bei der DATEV eG beschäftigte sich Krämer bereits mit dem Thema Digitalisierung bevor es das Wort Legal Tech überhaupt gab. Aus Erfahrung weiß er: Ein Produkt kann so hochentwickelt sein wie es will. Wenn es sich nicht sinnvoll in die Arbeitsstruktur eines Unternehmens eingliedert, wird es scheitern. Deswegen müsse man vor allem auch die Mitarbeiter überzeugen, wie Krämer anschaulich schildert: „Ob groß oder klein, in jedem Unternehmen gibt es beim Thema Innovationen eine Verteilung:  Da sind die Progressiven, die Normalen und – sagen wir mal – die Traditionalisten, die Neuerungen schwer annehmen. Wenn Sie etwas Neues einführen, wird sich folgender Zyklus wie ein Naturgesetz wiederholen: Sie fangen mit den Aufgeschlossenen an. Die werden sich in die Technologie und Prozesse einarbeiten. Wenn es gut ist – und nur dann – werden sie diese sukzessive auf die anderen übertragen. Aber das ist auch das, was ich mit Zeit meine. Sie können nicht anweisen: Sei innovativ! Sei digital! Das ist ein Prozess mit ganz persönlichen Erfolgserlebnissen eines jeden einzelnen Mitarbeiters. Wenn die Menschen es nicht annehmen, wird das nix.“

Legal Tech ist anfangen

Martin Krämer schloss seinen Vortrag mit einem klaren Appell ab: Anfangen. Damit die Zukunft – und somit auch Legal Tech –  morgen auch da ist  – egal, ob mit analytischem, interdisziplinärem, unternehmerischem oder kundenorientiertem Ansatz.

Lesen Sie auf legal-tech.de auch Interviews mit den Legal-Tech-Experten Dr. Dierk Schindler von der NetApp Deutschland GmbH und Martin Krämer von der DATEV eG.

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Bettina Taylor arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Als studierte Online-Journalistin gehören SEO, webgerechtes Texten und Content-Marketing zu ihren Spezialgebieten. ffi-verlag.de

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